Liebe:r Leser:in,

im Jahr 2021 feierte pbi Jubiläum: Seit mehr als 40 Jahren sind wir gewaltfrei in Aktion. Diesen Meilenstein haben wir einerseits mit einer internen digitalen Jubiläumsfeier im letzten Oktober begangen, bei welcher wir uns mit Freiwilligen verschiedener Jahrzehnte austauschten und so aus langjährigen Erfahrungen lernten. Andererseits luden wir im Dezember – zum Tag der Menschenrechte – Aktivist:innen aus Honduras, Guatemala, Kenia, Mexiko und Nicaragua zu einem Online-Podium ein, um ihnen den Austausch untereinander sowie mit Interessierten zu ermöglichen. Auch wenn die Corona-Pandemie uns weiterhin beschäftigt und Einschränkungen mit sich bringt, konnten im letzten Jahr Fachkräfte und Freiwillige ihren Einsatz in den Projekten vor Ort wieder aufnehmen sowie Veranstaltungen (z.B. in Schulen) teilweise wieder in Präsenz stattfinden.
Die Situation für die Zivilgesellschaft und Menschenrechtsverteidiger:innen (MRV) hat sich in vielen Ländern im Schatten der Corona-Pandemie jedoch zunehmend verschlechtert. Allein in Kolumbien wurden im Jahr 2021 mindestens 160 lideres sociales (z.B. Gemeindesprecher:innen) ermordet. Trotz dieser Rückschläge blicken wir optimistisch in die Zukunft und werden uns auch 2022 wieder mit voller Kraft für Frieden und Menschenrechte einsetzen.

Herzliche Grüße
Alex Klüken, pbi Koordination
 


 

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Unsere Projekte im Jahresrückblick

Guatemala

25 Jahre sind seit der Unterzeichnung der Friedensverträge in Guatemala vergangen, trotzdem bleibt die Implementierung der Verträge mehr als dürftig. Insbesondere die im Vorjahr beschlossene Schließung von Institutionen zur Friedensförderung, etwa des Sekretariats für Frieden (Secretaría de la Paz — SEPAZ), des Sekretariats für landwirtschaftliche Angelegenheiten (Secretaría de Asuntos Agrarios — SAA) und der Präsidialkommission zur Koordinierung der Exekutivpolitik im Bereich der Menschenrechte (Comisión Presidencial por los Derechos Humanos — COPREDEH) wirkt sich weiterhin nachteilig auf Frieden und Menschenrechte im Land aus.
Auch Rechtsstaatlichkeit und justizielle Unabhängigkeit befinden sich in Guatemala in einer Abwärtsspirale. Die Nominierung von Richter:innen – unter anderem des Verfassungsgerichts – zu Beginn des Jahres war von Hasskampagnen, Intransparenz sowie Korruptionsvorwürfen gekennzeichnet. In 2021 war zudem ein drastischer Anstieg an Diffamierung, Stigmatisierung und Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger:innen und Justizbeamt:innen zu verzeichnen, etwa von Richterin Erika Aifán, die im Rahmen des Internationalen Tages der Menschenrechte 2021 mit dem Deutsch-Französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit geehrt wurde.

Mexiko

2021 markierte die Halbzeit der Präsidentschaft von Andrés Manuel López Obrador. Insbesondere in den Bereichen Menschenrechtsschutz, Gewalt- und Armutsbekämpfung bleibt die aktuelle Regierung weit hinter den Erwartungen zurück.

Als Teil ihrer Sicherheitsstrategie setzt die Regierung López Obrador mit der unter ihm gegründeten Guardia Nacional weiterhin auf die Militarisierung des öffentlichen Raums, die mit zahlreichen Menschenrechtsverletzungen in Verbindung steht. Besorgniserregend bleibt in diesem Kontext die anhaltend hohe Straflosigkeit für diese Verbrechen. Ferner kritisieren viele Menschenrechtsorganisationen die zunehmende Diffamierung und Stigmatisierung von MRV sowie sozialen und politischen Bewegungen.
Darüber hinaus war Mexiko auch 2021 stark von den Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen, die bestehende soziale Ungleichheiten und die prekäre Menschenrechtslage weiter verschärft hat. Laut der Nationalen Menschenrechtskommission in Mexiko stieg insbesondere die Gewalt an Frauen* und Mädchen im Zuge der Pandemie um mind. 24% an. Im Rahmen von Demonstrationen, die auf die besondere Gefährdungslage aufmerksam machen sollten, kam es dabei wiederholt zu Diffamierungen, Stigmatisierung und exzessiver Gewaltanwendung gegen Protestierende.

Kolumbien

2021 jährte sich zum fünften Mal die Unterzeichnung des Friedensabkommen zwischen der kolumbianischen Regierung und den FARC-Rebellen. Mit dem Abkommen sollte dem 50-jährigen Konflikt ein Ende gesetzt werden, doch bisher wurde nur ein Bruchteil der vereinbarten Ziele erreicht.
Bereits 2020 führte Kolumbien die traurige Liste ermordeter Aktivist:innen weltweit mit mehr als 400 Morden an, auch 2021 wurden mindestens 160 MRV umgebracht.
2019 bekundeten Kolumbianer:innen ihren Unmut über die neoliberale Regierung des Präsidenten Iván Duque bei Protesten, auch im Frühjahr 2021 gingen landesweit Menschen gegen die geplante Steuerreform des Präsidenten auf die Straße. Doch auch nachdem dieser die Reform zurückgezogen hatte, hielten Demonstrationen gegen Armut, Hunger und Polizeigewalt an. Der Staat hat auf die Demonstrationen mit unverhältnismäßiger Gewalt reagiert.
Im pbi-Kolumbienprojekt waren im vergangenen Jahr vier ZFD-Fachkräfte und 21 internationale Freiwillige in drei Feld-Teams in Bogotá (Cundinamarca), Barrancabermeja (Santander) und Apartadó (Antioquia) tätig und begleiteten Aktivist:innen sowie ganze Gemeinden.

Honduras

Während die Bevölkerung in Honduras im letzten Jahr in kleinen Schritten versuchte, sich von den bislang schlimmsten Momenten der COVID-19-Pandemie und den desaströsen Auswirkungen der Hurrikane Eta und Iota zu erholen und in eine gewisse Normalität zurückzufinden, stand das Jahr 2021 ganz im Zeichen der Wahlen im November. In den Monaten vor der Wahl kam es dabei zu einem massiven Anstieg von Angriffen gegen MRV, Oppositionskandidat:innen und deren Angehörige – mindestens 28 wurden ermordet.
Trotz dieses Klimas der Angst verzeichnete Honduras mit 69% die höchste Wahlbeteiligung in der Landesgeschichte. Das Ergebnis ist eindeutig: Mit mehr als 10% Vorsprung setzte sich Xiomara Castro gegen den Kandidaten der bisherigen Regierungspartei durch und wurde damit die erste Präsidentin von Honduras.
Nach Ansicht der von pbi begleiteten Organisationen macht ihre Wahl Hoffnung auf eine bessere Zukunft, wenngleich die Umsetzung der Wahlversprechen und insbesondere die der internationalen Menschenrechtsabkommen zu beobachten sein wird.

Costa Rica (Nicaragua)

2021 war das Leben in Nicaragua von den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 7. November gekennzeichnet. Im Vorfeld waren sieben Kandidat:innen der Opposition verhaftet und einige Parteien verboten worden. Sowohl die UNO als auch die OAS und die EU sprechen von unfairen Wahlen. Daniel Ortega von der sandinistischen Regierungspartei FSLN gewann die Präsidentschaftswahl nach offiziellen Angaben deutlich und auch in der Nationalversammlung holte die FSLN die Mehrheit. Im November gab es eine neue Fluchtwelle aus Nicaragua nach Costa Rica sowie in die USA und nach Spanien.
Das dreiköpfige pbi-Team in San José, Costa Rica, hat mit nicaraguanischen Menschenrechtsgruppen im Exil Workshops zur Stärkung von Organisationsprozessen und Sicherheitstrainings durchgeführt. Auch wurde die Zusammenarbeit mit pbi-Projekten in der Region und die Advocacy-Arbeit verstärkt. Das Projekt war ursprünglich darauf ausgelegt, Gruppen und Organisationen aus Nicaragua im Exil in Costa Rica zu stärken und für eine Rückkehr nach Nicaragua vorzubereiten. Daran ist zur Zeit nicht zu denken. Um die Strategie des Projekts an die veränderte Situation anzupassen, fand im Dezember eine Evaluierung statt.

Indonesien

Die Überarbeitung des Gesetzes zur Sonderautonomie Westpapuas durch die indonesische Regierung führte zu Protesten, die gewaltsam aufgelöst wurden. Die Volksräte der Provinzen Papua und Papua Barat reichten Klage ein, da sie anders als rechtlich vorgesehen nicht an der Überarbeitung beteiligt gewesen sind. Aktivist:innen, die sich für die Unabhängigkeit Westpapuas einsetzen, werden oft kriminalisiert.
In vier Prozessen kam es 2021 zur Verurteilung, obwohl laut Anwaltschaft die Schuld nicht bewiesen wurde. Mary Lawlor, UN-Sonderberichterstatterin für die Situation von MRV, forderte die indonesische Regierung in einem offenen Schreiben dazu auf, »die Anwendung von Strafgesetzen zur Verfolgung von vier Menschenrechtsverteidiger[:innen], die sich gegen angebliche Korruption ausgesprochen haben, unverzüglich ein[zu] stellen«. Lawlor kritisierte den Versuch, das Recht auf Meinungsfreiheit zu untergraben. NGOs würden ins Visier genommen, da sie sich für Transparenz bei Regierungs- und Unternehmensprojekten einsetzen.
Das Projekt von pbi und der indonesischen NGO Elsam unterstützt die Arbeit der MRV durch Capacity- und Community Peacebuilding, das in Papua Grassroot-NGOs stärkt und vernetzt. Neu dazugekommen ist das Monitoring: Eine digitale Plattform, die Informationen über Menschenrechtsverletzungen und Konflikte bereitstellt, regelmäßig überprüft und aktualisiert. Dieses Konzept wurde vom NepalMonitor-Projekt übernommen.

Nepal

Die COVID-19-Pandemie hat auch 2021 die gesellschaftspolitischen Themen in Nepal geformt und die Verteidigung der Menschenrechte, insbesondere für Frauen*, beeinflusst. Die vom Projektteam des NepalMonitor (nepalmonitor.org) erfassten Daten zeigen diese Entwicklung eindrücklich. Vor diesem herausfordernden Hintergrund war das ungebrochene Engagement der Projektmitarbeitenden umso wertvoller. Im vergangenen Jahr konnten sie nicht nur wichtige Verbesserungen an dem für das Projekt zentralen Kartierungsprogramm vornehmen, sondern auch zahlreiche Trendberichte und Analysen veröffentlichen, die von einem breiten Publikum gelesen und verwendet werden. Ferner organisierten sie Workshops für MRV sowie Netzwerkveranstaltungen, die nachhaltige Beziehungen zwischen MRV in Nepal und darüber hinaus entstehen ließen. Deshalb konnten wir mit einem guten Gefühl das Projekt des NepalMonitor mit Ende des Jahres 2021 vollständig an unsere lokale Partnerorganisation COCAP übergeben und es somit in die Hände derer legen, die vor Ort herausragende Expertise haben.
Doch dies soll nicht das Ende des Einsatzes von pbi in Nepal sein: Ab 2022 setzen wir uns dafür ein, den Austausch und die Kapazitätsentwicklung auf Augenhöhe zwischen MRV zu fördern und zu verstetigen.

Kenia

Im Rahmen der Pandemiebekämpfung kam es insbesondere in den informellen Siedlungen Nairobis zu zahlreichen Fällen unverhältnismäßiger Polizeigewalt und zur weitreichenden Einschränkung des Handlungsspielraums von MRV.
pbi Kenia unterstützt neben Organisationen, die zum Thema außergerichtliche Tötungen arbeiten, weiterhin das Netzwerk der Toolkit Organizer, das 2021 drei neue Mitglieder begrüßte. Seit über vier Jahren setzt sich das Netzwerk für Frauenrechte und gegen sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt ein.
Trotz vieler von der Pandemie verursachter Probleme ist die Kreativität der MRV hervorzuheben: So hat beispielsweise das »Feministische Zentrum für Gerechtigkeit und Frieden«, dem eine MRV der Toolkit Organizer angehört, zur wirtschaftlichen Stärkung von Frauen Seife und Waschmittel hergestellt und verkauft. Diese finanzielle Unabhängigkeit ist ein Faktor, der dazu beitragen kann, sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt gegenüber Frauen zu verringern.
Ein Ausblick: In Kenia stehen 2022 Wahlen an. Das Projekt von pbi Kenia soll dazu beitragen, MRV auf diese Wahlen vorzubereiten und ihre Sicherheit zu erhöhen.

pbi-Bildungsprojekt (Deutschland)

2021 knüpften wir an lieb gewonnene Formate an, beschritten aber auch neue Wege: Am ersten Kreativ-Fachtag zur Gesellschaftsliebe begaben sich die Teilnehmenden auf Forschungsreise und erkundeten, wie sich gesellschaftliche Veränderungsprozesse zukunftsfähig und global vernetzt denken, fühlen und entwickeln lassen.
Zum vierten Mal fand unser Fachtag »Human Rights on the Move!« statt. Das Thema: Flüchtende und Aktivist:innen teilen ihre Geschichte(n). Den Mittelmeer-Monologen folgten Workshops zu den Themen Flucht und Asyl sowie Selbstfürsorge und psychosoziale Gesundheit.
In Kooperation mit dem Verein »FalkenFlitzer« haben wir das Ferienprogramm »Puppet-Up« mit Kindern aus Unterkünften für Geflüchtete sowie einer Hamburger Kinderschutzgruppe durchgeführt. Unsere Puppenspielerin Heike Kammer zeigte einige Puppentheaterstücke, danach bastelten die Kinder selbst Handpuppen und erfanden eigene Stücke.
Wir freuen uns, wieder Workshops an Schulen durchzuführen. Besonders aktuell ist der Workshop »Kinderrechte in Zeiten der Corona-Pandemie«. Die Schüler:innen reflektieren ihre Situation während der Schulschließungen und lernen die Situation von Kinder in El Salvador und Uganda kennen. Mehr Informationen: pbi-Bildungsprojekt

Finanzen

Der Jahresabschluss 2021 steht noch aus, momentan ist jedoch absehbar, dass rund 2,1 Mio. € Fördermittel und Spenden eingeworben wurden. Davon wurden 1,56 Mio. € an die pbi-Projekte im Ausland weitergeleitet. Wie im 
vergangenen Jahr zeichnen sich für Aktivitäten in Deutschland, inklusive des pbi-Bildungsprojekts, Ausgaben in Höhe von rund 540.000 € ab. Die endgültigen Zahlen können Sie dem Jahresbericht auf unserer Website entnehmen, sobald diese geprüft sind. > Zu den Jahresberichten

Ausblick 2022

pbi hat im vergangenen Jahr eine neue Projekt-Exploration angestoßen und eine Studie eingeleitet, die Bedarfe zur Unterstützung von MRV in Südostasien untersuchen soll.Das Explorations-Komitee setzt sich aus internationalen Ehrenamtlichen sowie einer Beraterin aus Indonesien zusammen und wird von einer Hauptamtlichen von pbi Deutschland unterstützt. Die Studie soll zunächst durch Interviews mit MRV die Bedarfe möglicher Einsätze in den Ländern Thailand, Myanmar, Malaysia, Kambodscha und auf den Philippinen ermitteln und im Nachgang eruieren, ob pbi diesen Bedarf angemessen decken könnte. Fällt die Studie positiv aus, könnte längerfristig ein neues pbi-Projekt in Südostasien entstehen.

>> Spendenbrief 2022 (PDF)


 

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