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25.11.2014 Das Schicksal der 43 verschwundenen Studierenden aus Ayotzinapa ist weiterhin ungeklärt. Während offiziell von deren Tod ausgegangen wird, entlädt sich die Trauer und Wut der Bevölkerung in landesweiten Protesten und der Forderung: „Lebend wurden Sie uns genommen, lebend wollen wir sie zurück“. pbi fürchtet, dass die aufgeheizte Stimmung das Risiko für MenschenrechtsverteidigerInnen massiv erhöht.

Am 26. September geschah der bewaffnete Angriff auf einen Konvoi von Studierenden der linken, basisdemokratischen Hochschule Normal de Ayotzinapas nahe der Kleinstadt Iguala im südlichen Bundesstaat Guerrero. Dabei kam es zu sechs Toten und mehr als 20 Verletzten, wobei  43 weitere junge Menschen verschleppt wurden. Doch auch zwei Monate nach der Attacke herrscht über deren Verbleib keine Klarheit. Nachdem jedoch die Urheber der Tat, der Bürgermeister José Luis Abarca und seine Frau María de los Ángeles Pineda Villa, verhaftet wurden und einige Mitglieder der ortsansässigen Drogenmafia Guerreros Unidos (Vereinte Kämpfer) Aussagen machten, scheinen die Hintergründe der Tat aufgedeckt.

So habe der Bürgermeister Abarca der lokalen Polizei den Angriff auf die Studierenden befohlen, um eine Wahlkampfveranstaltung seiner Frau vor möglichen Störungen abzuschirmen. Die Festgenommenen seien anschließend der Drogenbande Guerreros Unidos mit der falschen Information übergeben worden, dass es sich um Mitglieder eines rivalisierenden Kartells handle. Die Kooperation von Abarca mit den Guerreros Unidos sei ein offenes Geheimnis in der Gegend. Diese hätten daraufhin die jungen Menschen hingerichtet, verbrannt und in einen Fluss geworfen. Es wurden Plastiktüten mit menschlichen Überresten gefunden, die nun in einem Labor in Österreich untersucht werden, um die Identitäten der Verstorbenen zu klären. Dies sei jedoch aufgrund ihres Zustandes äußerst schwierig.

Trauer und Wut entlädt sich im ganzen Land

Dieses grausame Verbrechen, die Verwicklung von staatlichen VertreterInnen sowie die zögernde, abwiegelnde Haltung von offizieller Seite haben im ganzen Land zu Massenprotesten und Besetzungen öffentlicher Gebäude wie beispielsweise des Flughafens des Touristenortes Acapulco geführt. Teils kommt es auch zu gewaltsamen Zusammenstößen mit Polizei und Sicherheitskräften. Die BürgerInnen wollen Sicherheit über den Verbleib der Studierenden und einen generellen Wandel im Land, welches beständig von Gewalt und Korruptionsfällen erschüttert wird. Familienangehörige der Verschwunden machen sich teils selbst auf die Suche nach den Überresten der jungen Menschen, was zum Auffinden mehrerer Massengräber im Umland von Iguala geführt hat, die jedoch alle nicht die Leichen der Studierenden beinhalteten. Dies verdeutlicht das hohe Maß an Unsicherheit im Land.

Gefahr für MenschenrechtsverteidigeInnen

pbi ist wegen der Vorgänge um die verschwundenen Studierenden sowie um die Sicherheit der den Fall begleitenden Menschenrechtsorganisationen, wie vor allem das Red Guerrerense de Organizaciones Civiles de Derechos Humanos sowie das Menschenrechtszentrum Centro de Derechos Humanos de la Montaña Tlachinollan, das pbi seit 2003 begleitet, äußerst besorgt. So wurde die Arbeit der beiden Einrichtungen durch Aussagen von der Regierung des Bundesstaates Guerrero diffamiert und in die Nähe von Guerillagruppen gerückt. Diese Diffamierungen wurden von der Interamerikanischen Kommission für Menschenrechte bereits kritisiert.

Ebenso beobachtet pbi mit Sorge die willkürlichen Verhaftungen, die im Zusammenhang mit den Protesten in Mexiko-Stadt stattfinden und vom Comité Cerezo, einer von pbi seit 2001 begleiteten Menschenrechtsorganisation, dokumentiert werden. pbi appelliert daher an die mexikanische Regierung, das Recht auf sozialen Protest sowie auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit zu gewährleisten und zu schützen. Ebenso bittet pbi die mexikanische Regierung, die Arbeit von MenschenrechtsverteidigerInnen, die direkt oder indirekt die Vorfälle um Iguala begleiten, sowie den Wunsch nach Gerechtigkeit der Familienangehörigen der Verschwundenen und der mexikanischen Bevölkerung als Ganzes anzuerkennen, zu schützen und zu fördern. pbi erinnert ebenso an die internationalen Verpflichtungen des mexikanischen Staates, vollständige und unparteiische sowie den internationalen Standards entsprechende Untersuchungen zum Verbleib der 43 Studierenden durchzuführen und fordert den mexikanischen Staat dazu auf, dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichen dieses Verbrechens vor Gericht gebracht werden.

Text: Tobias Wallusch
 

Weitere Informationen:

pbi-Mexiko: PBI expresa profunda preocupación por incremento de riesgo para personas defensoras de los derechos humanos en los estados de Oaxaca y Guerrero, 12.11.2014 (auf Spanisch)
Educa: Crece el clamor global por los 43 desaparecidos, 21.11.2014 (auf Spanisch)
Educa: En Iguala, familiares de 200 desaparecidos hacen el trabajo del gobierno, 24.11.2014 (auf Spanisch)
Der Freitag: Im Würgegriff der Drogenmafia, 24.11.2014
Pressemitteilung der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko: 6 Tote und 43 verschwundene Studierenden in Iguala, Guerrero, Mexiko, 14.10.2014