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07.05.2015 - Ein neuer Korruptionsskandal erschüttert Guatemala, in den höchste RegierungsbeamtInnen involviert sein sollen. Die Veröffentlichung der Ermittlungsergebnisse führte nicht nur zu einer Mandatsverlängerung der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala, sondern zu landesweiten Protesten, bei denen zehntausende GuatemaltekInnen den Rücktritt der aktuellen Regierung und ein Ende der Korruption und Straflosigkeit forderten.

A#Renuncia yam 23. April 2015 sprach sich der guatemaltekische Präsident Otto Pérez Molina überraschend für eine Verlängerung der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) um weitere zwei Jahre aus. Aufgabe von CICIG ist die Untersuchung, Aufdeckung und Beseitigung der Strukturen organisierten Verbrechens. Seit seiner Einführung im Jahr 2007 spielte CICIG eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung von Korruption, der Stärkung von Justizinstitutionen und der Förderung der Rechtsstaatlichkeit in Guatemala.

Seit Monaten wurde über das Schicksal der von den Vereinten Nationen unterstützten Organisation diskutiert, deren Mandat im September 2015 auslaufen sollte. Als Pérez Molina erklärte, dass Mandat nicht verlängern zu wollen, mobilisierten sowohl guatemaltekische wie auch internationale Organisationen eine Unterstützungskampagne für CICIG.

Ausschlaggebend für die Verlängerung dürften die Ermittlungen von CICIG und der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft gewesen sein, die eine Woche zuvor, am 16. April, der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Es handelt sich dabei um einen Korruptionsskandal, der sich bis in die höchsten Regierungskreise zieht.

Das Netzwerk „La Línea“, das hinter dem großangelegten Zollbetrug steht, sorgte dafür, dass bei der Einfuhr der Warenwert in dem Karibikhafen Santo Tomás und am Pazifikterminal Puerto Quetzal gesenkt wurde und sich somit der Steuersatz drastisch reduzierte. Die Mitglieder des Netzwerkes kassierten Schätzungen zufolge alle zwei Wochen 2,3 Mio. Quetzales (ca. 270.000 Euro) als „Servicegebühr“ und unterschlugen Beträge in Millionenhöhe.

Gegen 20 Personen wurde Haftbefehl erlassen, unter anderem auch gegen den Chef der Steuerbehörde SAT, Omar Franco. Auch sein Vorgänger Carlos Enrique Muñoz befindet sich in Untersuchungshaft. Vor Kurzem wurden Schlüsselpositionen innerhalb der SAT neu besetzt. Geprüft wird nun, ob diese Neubesetzungen im Zusammenhang mit dem Steuerbetrug stehen.

Die meiste Aufmerksamkeit in diesem Korruptionsskandal wird jedoch Juan Carlos Monzón zu Teil, dem Privatsekretär der Vizepräsidentin Roxana Baldetti. Er soll einer der Hauptakteure im Zollbetrug sein. Monzón war zum Zeitpunkt der Verhaftungen in Südkorea. Er ist zurzeit flüchtig und international zur Fahndung ausgeschrieben. Des Weiteren steht der Direktor der guatemaltekischen Zeitung Siglo 21, Salvador Eduardo González, im Verdacht, in den Skandal verwickelt zu sein.

Diese erneute Korruptionswelle motivierte zehntausende GuatemaltekInnen (je nach Quelle zwischen 10.000 und 40.000), sich am Samstag, 25. April 2015 – inzwischen besser bekannt als „25A“ – im historischen Zentrum von Guatemala Stadt zu versammeln. Unter dem Motto „RenunciaYa“ (Rücktritt jetzt) demonstrierten sie friedlich gegen Korruption und Straflosigkeit der politischen und wirtschaftlichen Eliten und forderten den Rücktritt von Präsident Pérez Molina sowie der Vizepräsidentin Baldetti.

Die Regierung reagierte zunächst mit einem großen Polizeiaufgebot, welches sich aber im Laufe des Tages zurückzog. Stattdessen wurden Störsender installiert, die Telefon- und Internetverbindungen verhinderten, sodass die von vielen Medien angedachte Liveübertragung der Proteste nicht stattfinden konnte.

Bemerkenswert ist die Initiative der guatemaltekischen Zivilgesellschaft, die sich spontan selbst über soziale Netzwerke mithilfe des Hashtags #RenunciaYa organisierte. Nicht nur in Guatemalas Hauptstadt sondern auch in mehreren anderen Städten des Landes kam es zu Demonstrationen. Auch in den Ländern wie beispielsweise Mexiko, Chile, Großbritannien und Argentinien kamen GuatemaltekInnen vor ihren Botschaften zu Demonstrationen zusammen.

Es waren die größten Demonstrationen in Guatemala seit mehr als 70 Jahren, die nicht von politischen Parteien angestoßen wurden. Wenn die Regierung den Forderungen der Bevölkerung keine Rechnung trägt, soll am 16. Mai 2015 friedlich weiter demonstriert werden. Von der Zivilgesellschaft organisierte Veranstaltungen sollen bis dahin den Forderungen Nachdruck verleihen.
 

Text: Stephanie Brause

 

Hashtags:
#CICIGsí
#RenunciaYa
#RenunciaYaFase2


Informationen:
>> Video (Zusammenfassung des 25. April 2015, auf Spanisch)
>> Analyse der Symbolik der Demonstrationen vom guatemaltekischen Soziologen Sergio Palencia (auf Spanisch)
>> Erste Analyse des Protests und des Korruptionsskandals von Ronalth Ochaeta (auf Spanisch)
>> Comunicado Manifestación Pacífica #RenunciaYa (auf Spanisch)


Quellen:
GHRC USA: President Pérez Molina Will Extend Mandate of CICIG in Guatemala, 23 April 2015 (in Englisch)
Blickpunkt Lateinamerika: Betrugsskandal bringt Regierung in Bedrängnis, 22. April 2015
Blickpunkt Lateinamerika: Demonstranten fordern Rücktritt von Präsident Perez Molina, 27. April 2015
Guatemala Solidarity Network: Guatemalans join together to demand their leaders “resign”, 26 April 2015 (in Englisch)
amerika21: Demonstranten in Guatemala: Präsident soll zurücktreten, 28. April 2015