09.08.2021 – Unter dem Motto „Niemanden zurücklassen“ soll heute auf die Lage der indigenen Gemeinschaften weltweit aufmerksam gemacht werden und die Forderung nach einem neuen Gesellschaftsvertrag in den Fokus rücken. Obwohl die Rechte indigener Gemeinschaften international festgehalten sind, werden diese noch häufig missachtet. Auch pbi fordert die Anerkennung und Beteiligung dieser besonders marginalisierten Bevölkerungsgruppe und setzt sich seit nunmehr 40 Jahren für indigene Gemeinschaften ein.

Bernardo Caal Xól„Der Fluss Cahabon ist heilig, schon unsere Groß­eltern haben uns beigebracht, ihn zu respektieren“  sagt Bernardo Caal Xól, Umwelt­schützer und Menschen­rechts­verteidiger, der sich als Wort­führer der Resistencia Pacífica, des fried­lichen Wider­stands von Cahabón, für die Maya Q’eqchi in Guatemala einsetzt. Seit einigen Jahren unter­stützt er mit anderen Aktivist:innen die gewalt­freien Proteste der von großen Bau­projekten gefährdeten Gemeinden in seiner Region. 2018 wurde er zu Unrecht inhaftiert und sitzt eine mehr als sieben­jährige Haftstrafe ab. Trotzdem gibt er die Hoffnung nicht auf: „Sie dachten wohl, wenn sie den Sprecher der Bewegung einsperren, werden sie uns zum Schweigen bringen. Doch das haben sie nicht erreicht,“ sagt Caal Xól in einem Interview aus dem Gefängnis. Er führt somit das fort, wozu Menschen im Globalen Süden seit Jahr­hunderten gezwungen sind: Den Kampf gegen destruktive Eingriffe in ihren Lebens­raum.

Selbstkontrolle der Gemeinschaften

Um auf die Menschen und ihren Widerstand aufmerksam zu machen, wird jedes Jahr am 9. August der Internationale Tag der Indigenen Gemeinschaften begangen. Dieser Tag soll an das erste Treffen der Arbeitsgruppe zu den Indigenen Gemeinschaften der Vereinten Nationen erinnern, das 1982 stattfand. Schon damals war klar: Die Bestrebungen der Menschen müssen ernstgenommen werden. Ihnen muss Selbstkontrolle über ihre eigenen Institutionen, ihre Lebens­weise und ihre Entwicklung ermöglicht werden. Die Bewahrung und Weiterentwicklung ihrer Identitäten, Sprachen und Religionen muss somit in ihrer Hand liegen.

Die Selbstkontrolle wird jedoch durch globale und nationale Ungleichheiten erschwert. Die Beseitigung von Armut in all ihren Formen und Dimensionen sowie der Abbau von Ungleichheiten stehen auch im Mittelpunkt der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Mit dieser verfolgt die internationale Staaten­gemeinschaft mit all ihren Bewohner:innen ein Hauptziel: gemeinsame Lösungen für globale Herausforderungen zu finden.

Kaum rechtliche Schutzräume

Doch es dauerte 25 Jahre, bis die UN im Jahr 2007 die nicht rechtsverbindliche Erklärung „Deklaration der Rechte indigener Gemeinschaften“ (UNDRIP, 61/295) verabschieden konnten. Ihr oberstes Ziel ist, dass indigene Gemeinschaften ihr kulturelles Erbe und ihre kulturelle Entwicklung gegenüber den dominanten Nationalstaaten schützen können. Die Deklaration hat zugleich den Weg dafür geebnet, dass die Staaten die Rechte indigener Gemeinschaften auf ihr Land, Territorium und ihre Ressourcen anerkennen. Auch das Recht auf Beteiligung und Anhörung vor großen Bauvorhaben wurde so eingeführt.

Die 1991 in Kraft getretene „Indigenous and Tribal Peoples Convention“ (Übereinkommen 169) der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) von 1989 ist bis heute allerdings der einzige rechtsverbindliche Schutz der Grundrechte indigener Gemeinschaften. Nur 24 Staaten weltweit haben das Übereinkommen bis heute ratifiziert – Deutschland erst im April dieses Jahres. Dieses Bild verdeutlicht, dass die Belange indigener Gemeinschaften weltweit nach wie vor missachtet werden. Ihre Situation ist kritisch, auch in den Ländern, die das Übereinkommen schon früh ratifiziert haben und in denen pbi aktiv ist, wie beispielsweise in Guatemala, Mexiko und Kolumbien.

Indigene Gemeinschaften fördern den globalen Klimaschutz

Indigene Gemeinschaften sind am stärksten von den negativen Auswirkungen der Globalisierung und Klimakrise betroffen. Sie gehören zu den mehr als 70% der Weltbevölkerung, die in Ländern mit zunehmender Einkommens- und Vermögensungleichheit leben – und sind bereits mit hohen Armutsraten und schweren sozioökonomischen Benachteiligungen konfrontiert. Die weltweite Covid-19 Pandemie hat die prekäre Situation indigener Gemeinschaften noch verschlimmert. 

CahabonGleichzeitig konnten unter dem Deckmantel der Eindämmung der Pandemie Unternehmen indigenes Land ungehindert in Besitz nehmen, während der Aktivitäts- und Bewegungsradius indigener Aktivist:innen aufgrund der Verbote vermindert war. Ähnlich verhielt es sich vielerorts mit den Anhörungen indigener Gemeinschaften, die abrupt ausgesetzt wurden, um Megaprojekte in den Bereichen Agrarindustrie, Bergbau, Staudämme und Infrastruktur zu erzwingen. Kriminalisierung und Ermordung indigener Aktivist:innen im Einsatz für ihr Recht auf Land, für den Naturschutz und für ihre nachhaltigen Lebensweisen sind – nicht nur im Kontext der Pandemie – Alltag. Besonders indigene Frauen, die das Recht ihrer Gemeinschaften auf ihr Land, Territorium und eine gesunde Umwelt verteidigen, werden stigmatisiert und daran gehindert, sich an Entscheidungsprozessen zu beteiligen – teils auch innerhalb ihrer eigenen Gemeinschaften.

Doch indigene Aktivist:innen bekamen auch mehr Gehör und hielten den Globalen Norden während der Pandemie über ihre Situation auf dem Laufenden. So ist die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit gewachsen. Indigenes Wissen und indigene Lebensformen werden zunehmend wertgeschätzt. Laut Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) „birgt ihr traditionelles Wissen über Ökosysteme und die Pflanzen- und Tierwelt ein wichtiges Potenzial für Wald- und Klimaschutz.“

Was pbi für indigene Gemeinschaften tut

pbi setzt sich seit 40 Jahren für die Rechte kleinbäuerlicher und indigener Gemeinschaften ein und begleitet Organisationen und Aktivist:innen, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte engagieren. Neben der internationalen Schutzbegleitung strebt pbi stets einen Austausch mit den Aktivist:innen an. Zu diesem Zweck gründete sich 2019 die Aktionsgemeinschaft SüdNord. Sie will Klimaaktivist:innen des Globalen Südens Gehör und Aufmerksamkeit verschaffen und sie mit den Klimabewegungen des Globalen Nordens vernetzen. 

 

Konsultation der Gemeinde Cunén, GuatemalaImmer mehr indigene Aktivist:innen und Gemeinschaften sind sich ihrer Situation im globalen Kontext bewusst und werden zu Expert:innen ihrer politischen Positionen und rechtlichen Handlungs­spiel­räume. Auch auf inter­nationaler Ebene heißt es nun, diese Menschen wahr­zunehmen, sie anzu­erkennen und an politischen und wirt­schaft­lichen Ent­scheidungen zu beteiligen und „niemanden zurück­zulassen“. Nur so kann die Agenda 2030 vorangetrieben werden, um gemeinsame, soli­darische Lösungen für die brennenden globalen Heraus­forderungen zu finden. 

Die Unterstützung durch pbi ermutigt auch Bernardo Caal Xól: „Es bleibt die Hoffnung, dass die inter­nationale Schutz­begleitung weltweite Auf­merk­samkeit auf unsere Region lenkt und uns hilft, gemeinsam anzuklagen.“

Was könnt ihr tun? 

Die AG SüdNord freut sich immer über interessierte Menschen, die eigene Ideen einbringen wollen. Außerdem organisiert pbi regelmäßig (Online-)Veranstaltungen mit Aktivist:innen aus dem Globalen Süden und Norden und veranstaltet Seminare zu verschiedenen Themen. Wir freuen uns über euren Besuch! Im Newsletter werdet ihr monatlich über unsere Veranstaltungen informiert: Newsletter-Anmeldung

Text: Claudia Chávez de Lederbogen, Ehrenamtliche

Weitere Informationen
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