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Der lange Widerstand von Guapinol in Honduras

Im Jahr 2020 wurden weltweit 227 Umweltschützer:innen ermordet, drei Viertel von ihnen in Lateinamerika. Auch im Dorf Guapinol in Honduras werden Umwelt und Menschen seit Jahren durch die Bauvorhaben eines großen Unternehmens bedroht. Juana Ramona Zuñiga ist eine von ihnen. Sie ist täglich in Gefahr, weil sie sich für die Rechte ihrer Gemeinschaft einsetzt. 

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Defence of the Guapinol river

Als die ersten Pro­teste in Guapinol, im Nor­den von Honduras be­ginnen, sitzt Juana Ramona Zuñiga gerade in einer Sitz­ung des Gemeinde­rats. Per Anruf wird sie darum gebe­ten, an einer fried­lichen Demon­stration teil­zu­nehmen. Ihr Ziel: Die Ver­teidi­gung des Flusses Guapinol gegen die Konta­mination durch die seit 2014 waltende Eisen­oxid­mine des Unter­nehmens Inversiones Los Pinares. Juana ist Sekre­tärin des Gemeinde­rats von Guapinol und aktives Mit­glied des Städtischen Aus­schusses für den Schutz des Gemein­wesens und der öffent­lichen Güter (CMDBCP) von Tocoa, einer Ge­meinde im Bezirk Colón. Sie engagiert sich seit März 2018 für die Ver­teidi­gung der Flüsse Guapinol und San Pedro, die durch die Berg­bau­projekte konti­nuierlich verun­reinigt werden. „Der Fluss birgt einige der schönsten Erinne­rungen meines Lebens. Doch eines Tages wachten wir auf und der Fluss war völlig ver­schmutzt und nicht nutzbar. Seit­dem sind wir gezwun­gen, Wasser in Flaschen zu kaufen“, klagt Juana. „Menschen, die es sich nicht leisten können, benutzen dieses verun­reinigte Wasser, was zu gesund­heit­lichen Schäden führt“, erklärt sie weiter.

Willkürliche Inhaftierungen

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Sich Seite an Seite mit anderen Aktivist:innen zu orga­nisieren, motiviere sie. Ent­schlossen­heit ist in ihrer Stimme zu erkennen: „Dieser Kampf ist an­steckend. Wenn wir die Flüsse retten, retten wir auch unser Leben.“ Die Be­teili­gung am fried­lichen Wider­stand macht die Menschen jedoch zum Ziel von Ein­schüchte­rungen, Ver­leum­dungen und Über­griffen durch Militär­kräfte und die Polizei. Bisher wurden mehr als 30 der Aktivist:innen wegen an­gebli­cher Be­schädi­gung und der wider­rechtlichen An­eignung öffent­lichen Raumes fest­genommen. Einige wurden mittler­weile entlassen, acht aber harren seit über zwei Jahren in Unter­suchungs­haft aus. Einer dieser Umwelt­verteidiger ist José, Juanas Ehe­mann. Obwohl die UN-Arbeits­gruppe für will­kürliche Inhaf­tierun­gen bereits im Früh­jahr 2021 die sofortige Frei­lassung der acht Männer sowie eine Unter­suchung der verant­wortlichen Justiz­beamt:innen forderte, be­schloss das hondu­ranische Straf­gericht im Herbst, ihre Haft noch­mals zu verlängern.

Wie fordern Respekt

Bereits 2019 wurde der Bergbau in Tocoa in einer offenen Bürgerversammlung mit überwältigender Mehrheit abgelehnt. Das Büro des Bürgermeisters weigerte sich jedoch, den Willen der Bevölkerung umzusetzen und die wegen Umweltverschmutzung und Korruption angeprangerten Projekte zu stoppen. „Es heißt, unsere Gemeinden seien gegen Entwicklung, aber so ist es nicht. Wir wollen eine Entwicklung, die die Menschenrechte respektiert und weder dem Fluss noch der Umwelt schadet“, fordert Juana. „Doch was wir bekommen haben, ist eine Entwicklung, die Familien auseinanderreißt und sie mit Kriminalisierung und willkürlichen Festnahmen belastet.“ Auch Hasskampagnen im Internet zielen darauf ab, die Inhaftierten und alle anderen an den Protesten von Guapinol beteiligten Personen und ihre Familien zu stigmatisieren.

Abgesehen von den Bedrohungen und den schädlichen Umwelteinflüssen leidet die Gemeinde seit Beginn der Proteste zusätzlich unter einer zunehmenden Militarisierung der Region. Die Wohnorte der Menschenrechts- und Umweltverteidiger:innen stehen unter ständiger Beobachtung. Diese Situation führt nicht nur zu Gewalt, sondern nimmt der Bevölkerung auch die Freiheit, zum Fluss zu gehen und in seinem Wasser zu baden. 

Ein hoher Preis für den Widerstand

„Die Regierung will uns so deutlich machen, was mit uns passiert, wenn wir weiter unsere Stimmen erheben. Sie wollen uns zum Schweigen bringen“, erzählt Juana. Diese Situation sei vor allem für Frauen komplex, sagt sie und beklagt das patriarchale Gesellschaftssystem, das in Honduras vorherrsche, in dem viele Menschen immer noch glaubten, dass Frauen nur zum Wäschewaschen und für den Haushalt gut sind. Doch die Teilnahme an Trainings habe sie persönlich gestärkt und ihr Widerstand habe sie gelehrt, wie wichtig es ist, sich selbst wertzuschätzen, zu respektieren und weiterzumachen. 

Der Preis, den sie dafür zahlt, ist die Verfolgung und die Gefahr eines Tages getötet zu werden. Doch Juana gibt sich kämpferisch: „Der Fluss ist unser Leben und ohne Wasser sind wir gar nichts! Ich kämpfe weiter für den Fluss, für den Wald und das Land, damit auch meine Kinder irgendwann ihre Schönheit genießen können.“

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Begleitete Menschenrechtsverteidiger:innen in Honduras

Anfang 2022 werden die acht Umweltverteidiger auf nationalen und internationalen Druck hin nach mehr als zwei Jahren aus der Haft entlassen. pbi hat sich sehr für ihre Freilassung eingesetzt.

Der Fall Guapinol ist jedoch nicht mit der Freilassung der unrechtmäßig inhaftierten Verteidiger abgeschlossen. Es gibt weiterhin Probleme im Zusammenhang mit der illegalen Ausbeutung in dem Gebiet. Die Gewinnung und Verarbeitung des Eisenoxids führt zu erheblichen Umweltschäden. Der Fluss Guapinol ist stark verschmutzt und zeigt eine unangemessene Übernutzung.

Text: pbi Honduras, überarbeitet durch pbi Deutschland

In den sechs Jahren seit der Unterzeichnung des Pariser Abkommens wurden mindestens 1.005 Menschen ermordet, die sich für Land- und Umweltrechte einsetzten. Ein Drittel dieser Ermordeten gehörte zu indigenen Gemeinschaften. Im öffentlichen Diskurs, wie zuletzt auf der UN-Klimakonferenz COP26, waren diejenigen unterrepräsentiert, die am meisten vom Klimawandel betroffen sind und wurden somit kaum angehört. Doch eine gerechtere, nachhaltiger Welt ist nur möglich, wenn wir den wahren Expert:innen – den Menschenrechtsverteidiger:innen und ihren Gemeinschaften – zuhören und uns mit ihnen solidarisieren. Wir müssen die globalen Zusammenhänge (an)erkennen und uns dafür einsetzen, dass große Unternehmen, auch aus dem Globalen Norden sowie korrupte Regierungen nicht ohne Widerstand fortsetzen können, was sie Jahrhunderte lang angerichtet haben.

Weitere Informationen
>> Virtuelle pbi-Veranstaltung „Umweltverteidiger:innen — In erster Reihe im Kampf gegen den Klimawandel“ im Rahmen der UN-Klimakonferenz COP26
>> Wessen Stimmen wurden bei der Klimakonferenz COP26 gehört?
>> Honduras: Insbesondere weibliche Menschenrechtsverteidiger_innen sind von Kriminalisierung betroffen
>> Im Einsatz für die Menschenrechte: Das pbi-Hondurasprojekt
>> Landrechte und Land Grabbing
>> Internationaler Tag der Erde: Die Welt braucht Klimagerechtigkeit
>> Was hat Klimawandel mit Rassismus zu tun? – Zum Internationalen Tag gegen rassistische Diskriminierung
>> „Globales Netz für Klimagerechtigkeit“ – Ein pbi-Beitrag zum Klima-Hub des Zivilen Friedensdienstes (ZFD)
>> Dokumentarfilm: „In Defence of our Lands“ von Manu Valcarce
>> pbi Guatemala: Videoaufnahmen über Menschen- und Landrechtsverteidiger:innen (Original ohne Untertitel)
>> Originaltext von pbi Honduras “Without Human Rights, there is no Development”