17.05.2021 – Seit 2005 wird jedes Jahr am 17. Mai der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit begangen. Er dient als Aktionstag, um auf die Diskriminierung und Gewalt aufmerksam zu machen, die Menschen mit sexuellen Orientierungen oder Geschlechtsidentitäten jenseits von Heteronormativität und Zweigeschlechtlichkeit noch immer erfahren.
Das Datum erinnert an die Entscheidung der WHO vor 31 Jahren, Homosexualität nicht länger als psychische Krankheit einzustufen. In Deutschland ergibt sich aus den Zahlen 17.5. noch eine weitere Bedeutung: Seit 1994 wird Homosexualität mit der Abschaffung von Paragraf 175 des Strafgesetzbuchs (§175 StGB) hierzulande nicht mehr kriminalisiert. Der zunächst nur gegen Homofeindlichkeit geschaffene Tag gibt heute allen Personen Raum, die sich der LGBTIQA+-Community angehörig fühlen. Denn auch wenn hinter der Abkürzung ganz verschiedene Menschen stehen, die unterschiedliche Diskriminierung erfahren, werden sie alle angegriffen, weil sie nicht dem klassisch vorherrschenden Geschlechterbild entsprechen.
Kein individuelles, sondern ein strukturelles Problem
In einer heteronormativen Gesellschaft gilt es als selbstverständlich, dass es zwei Geschlechter gibt, die sich auch sexuell aufeinander beziehen. Wer diesen Erwartungen nicht entspricht, wird als „nicht normal“ stigmatisiert. LGBTIQA+-Feindlichkeit reicht von Anfeindungen und Beleidigungen bis hin zu körperlicher Gewalt. Sie berührt die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen und ihr Menschenrecht auf sexuelle und geschlechtliche Selbstbestimmung. Doch Hass und Ablehnung nur als individuelles Problem der Täter:innen zu sehen, ist zu kurz gedacht. Vielmehr ist LGBTIQA+-Feindlichkeit strukturell verankert und zeigt sich auch in institutioneller Benachteiligung, durch Diskriminierung am Arbeitsplatz und bei der Wohnungssuche. Und damit nicht genug: In 69 Ländern der Welt stehen gleichgeschlechtliche Beziehungen und nichtgeschlechtskonformes Verhalten noch immer unter Strafe; in 11 von ihnen droht sogar die Todesstrafe. Auch in Deutschland kommt es weiterhin zu Ungleichbehandlung, Diskriminierung und Gewalt gegen LGBTIQA+-Personen. 2020 wurden vom Bundesinnenministerium rund 578 Hassverbrechen gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung erfasst.
Wie pbi sich für LGBTIQA+-Rechte einsetzt
In den pbi-Projektländern werden Aktivist:innen, die zu Rechten von LGBTIQA+-Personen arbeiten, oftmals verfolgt und nicht selten misshandelt oder gar ermordet. pbi setzt sich insbesondere in Honduras für ihre Anliegen und ihren Schutz ein. Seit 2015 wird die Vereinigung Arcoíris (Regenbogen) von pbi begleitet. Ihre Koordinatorin Esdra Sosa sagte 2019: „Wir fordern keine neuen oder besonderen Rechte. Wir fordern nur, dass unsere Rechte, genau wie die Rechte aller Menschen respektiert werden.“
Auch 2021 bleibt diese Forderung weiter unerfüllt. Mindestens 381 LGBTIQA+-Personen wurden in Honduras laut dem Cattrachas Lesbian Network Observatory seit 2009 getötet – acht der Morde fallen auf dieses Jahr. Die wenigsten dieser Verbrechen werden je aufgeklärt. Die Corona-Krise verschärft aktuell weltweit bestehende Ungleichheiten und damit auch solche, die auf sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität beruhen. Für die LGBTIQA+-Gemeinde, die ohnehin zu den am stärksten benachteiligten Gruppen gehört, hat dies verheerende Auswirkungen.
Doch die LGBTIQA+-Gemeinde in Honduras kämpft weiter für ihre Rechte: Mit dem Mord an Vicky Hernández im Jahr 2009 wurde im November 2020 erstmals ein Transfemizid vor dem Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt. Ihr Fall gilt als sinnbildlich für die systematische Diskriminierung von Trans*Aktivist:innen in Honduras und könnte zu einem Präzedenzurteil zum Schutz von Trans*Personen führen.
Gemeinsam sensibilisieren und empowern
Trotz einiger positiver Entwicklungen darf der Kampf gegen LGBTIQA+-Feindlichkeit nicht nachlassen. Die Betroffenen haben diese Wahl nicht: Sie kämpfen um Anerkennung in einer Welt, die sie oftmals ausgrenzt, leugnet oder verfolgt. Daher ist es wichtig, im Alltag nicht wegzusehen, auch und gerade wenn man selbst und das eigene Umfeld keiner strukturellen Diskriminierung ausgesetzt ist. Trotz aller Hindernisse sind LGBTIQA+-Aktivist:innen in den vergangenen Jahren weltweit sichtbarer geworden. Dafür brauchen sie Mut und Durchhaltevermögen – und von den Menschen, deren Rechte nicht bedroht sind, mindestens drei Dinge: aufmerksames Zuhören, eigenes Hinterfragen und nicht zuletzt Solidarität.
Das Bildungsprojekt von pbi Deutschland bietet auch zu Coronazeiten einen Online-Workshop zum Thema sexualisierte Gewalt an, in dem Trans*Aktivistin Kendra Jordany über ihr Arbeit und die Situation in Mittelamerika, speziell in Honduras, berichtet.
Text: Berit Köhne
Weitere Informationen zu diesem Thema
>> Honduras: „Somos“, der neue Kurzfilm von Manu Valcarce über die Arbeit von LGBTIQA+-Aktivist:innen (Spanisch mit engl. Untertiteln)
>> Honduras: Alarmierende Situation für die LGBTIQA+-Gemeinschaft
>> Honduras: Ermordung von Transaktivistin Scarlet Cambel