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Internationaler Tag bedrohter Anwält:innen: Schutz von Anwält:innen und Bekämpfung von Kriminalisierung durch rechtliche Unterstützung

Internationaler Tag bedrohter Anwält:innen: Schutz von Anwält:innen und Bekämpfung von Kriminalisierung durch rechtliche Unterstützung

24.01.2023 - Jedes Jahr am 24. Januar wird der „Internationale Tag bedrohter Anwält:innen“ all jenen Menschen gewidmet, die aufgrund der rechtmäßigen Ausübung ihres Anwaltsberufes Gefahren ausgesetzt sind. Sie werden bedroht, strafrechtlich verfolgt und manchmal sogar getötet. Wir werfen einen Blick darauf, wie Kriminalisierung dazu genutzt wird, Anwält:innen und andere Menschenrechtsverteidiger:innen mundtot zu machen und was die internationale Rechtsgemeinschaft tun kann, um zu helfen.

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Schutz von Menschenrechtsverteidiger:innen und Bekämpfung von Kriminalisierung durch rechtliche Unterstützung
Kriminalisierung ist eine von vielen Taktiken, die repres­sive Regierun­gen und aggres­sive Unter­nehmen anwenden, um die Arbeit von Anwält:innen und Menschen­rechts­verteidiger:innen zu behindern. Die Kriminalisierung zwingt sie, Energie und Ressourcen darauf zu verwenden, sich selbst und ihre Kolleg:innen vor Anklagen zu bewahren. Anwält:innen – wie auch ihr persönliches Umfeld – sind häufig Drohungen, Schikanen und Verleumdungen ausgesetzt. Hinzu kommen die konstruierten Anklagen, die gegen sie erhobenen werden.

pbi unterstützt in Lateinamerika Menschenrechtsverteidiger:innen, die aufgrund ihres Einsatz zur Verteidigung der Menschenrechte kriminalisiert werden

Indigene Gemeinschaften in der Sierra Tarahumara im Norden Mexikos werden zwangsumgesiedelt und auch inhaftiert, da sie sich gegen illegale Rodungen sowie gegen Tourismus- und Infrastrukturprojekte wehren, die die Umwelt beeinträchtigen. CONTEC, eine Organisation, die sie rechtlich unterstützt, wurde zur Zielscheibe von Verleumdungskampagnen, und wurde von staatlicher Seite auch einer willkürlichen Überprüfung unterzogen, nachdem sie eine Klage gegen den Staat eingereicht hatte.

In Honduras wurden 32 Umweltschützer:innen willkürlich inhaftiert. Acht von ihnen erklärte man einer Reihe von Straftaten für schuldig, nachdem sie die Verschmutzung lokaler Flüsse durch einen Tagebau angeprangert hatten, obwohl es keinerlei Beweise gegen sie gab. Die UN stufte ihre Inhaftierung als willkürlich ein, die EU forderte die Einstellung des Verfahrens. Die Verteidiger:innen wurden letztes Jahr aus der Haft entlassen. Am 7. Januar aber wurden zwei ihrer Kollegen, Aly Domínguez und Jairo Bonilla ermordet. Noch bevor eine offizielle Untersuchung eingeleitet wurde, kam die Polizei öffentlich zu dem Schluss, dass es sich bei dem Verbrechen um einen vertuschten Mord handelte. Die Gemeinde und ihr Anwaltsteam waren Schikanen und Verleumdungskampagnen ausgesetzt.

Carlos Choc Chub, ein Lokaljournalist in Guatemala, musste untertauchen, nachdem ein Haftbefehl gegen ihn erlassen worden war. Sein Verbrechen? Er fotografierte die Gewalt staatlicher Sicherheitsorgane gegen Demonstrant:innen, die die Verschmutzung des größten Süßwassersees in Guatemala durch eine Ferronickel-Mine anprangerten. Solway Investments, die Muttergesellschaft der Betreiberfirma der Mine, wurde inzwischen von der US-Regierung wegen Korruption sanktioniert. Im November besuchte Carlos das Vereinigte Königreich und eine Reihe anderer Länder, um internationalen Druck zu erzeugen, damit die Kriminalisierung gegen ihn beendet wird. Kurz darauf wurde sein Prozess vertagt. 

Unterdessen werden in Kolumbien Antiterrorismusgesetze gegenüber Demonstrant:innen angewandt, die sich an dem Nationalstreik im Jahr 2021 beteiligt haben. Die Anwält:innen der Stiftung Nydia Erika Bautista (FNEB), die einige der inhaftierten Aktivist:innen sowie die Opfer sexueller Gewalt und des Verschwindenlassens von Personen während der Proteste vertreten, sind einem erhöhten Risiko und ständiger Überwachung ausgesetzt. Im Mai letzten Jahres wurde die stellvertretende Direktorin der FNEB, Andrea Torres Bautista, entführt, tätlich angegriffen und all ihrer Habseligkeiten beraubt, als sie mit ihrem Mann in einem Taxi nach Hause fuhr. Bei der Direktorin der FNEB, Yanette Bautista Montañez, wurde Ende 2021 das Bankkonto geleert und in ihr Haus eingebrochen. Bislang wurde noch niemand im Zusammenhang mit diesen Verbrechen angeklagt.

Lokale Organisationen betrachten diese und andere Fälle als Teil einer allgemeinen Entwicklung zur Kriminalisierung von Protest und Umweltaktivismus in Lateinamerika. Land- und Umweltschützer:innen, viele von ihnen aus indigenen Gemeinschaften, stehen beim Kampf gegen die Klimakrise in erster Reihe. Das Business and Human Rights Resource Centre hat seit 2015 mehr als 385 willkütliche Anklagen dokumentiert – mehr als die Hälfte davon wurden von Wirtschaftsakteuren gegen Menschenrechts- und Umweltaktivist:innen angestrengt. Die Unterstützung von Anwält:innen im Kampf gegen Kriminalisierung ist daher unerlässlich, damit die Menschen­rechts­verteidiger:innen den Einsatz für Klimagerechtigkeit fortsetzen können.

Die internationale Rechtsgemeinschaft – ein wichtiger Verbündeter im Kampf gegen die Kriminalisierung 

pbi arbeitet mit der internationalen Rechtsgemeinschaft zusammen, um die Kriminalisierung zu bekämpfen und die Auswirkungen auf Menschenrechtsverteidiger:innen und deren Arbeit zu minimieren. Wir vermitteln Menschenrechtsverteidiger:innen in einigen der gefährlichsten Länder der Welt rechtliche Unterstützung, Beratung und technische Hilfe. Dadurch haben wir Menschenrechtsverteidiger:innen geholfen, sich gegen konstruierte Anklagen zu wehren, aus der Haft entlassen zu werden und unrechtmäßige Verurteilungen abzuwenden bzw. aufzuheben.

Die Beendigung der Kriminalisierung ermöglicht es Gemeindevorsteher:innen, Menschenrechtsanwält:innen, Enthüllungsjournalist:innen und Umweltaktivist:innen, sich wieder auf ihre unverzichtbare Menschenrechtsarbeit zu konzentrieren, dazu gehört die juristische Unterstützung anderer wie auch das Eintreten für Reformen, um das System für alle gerechter zu machen.

Anwält:innen können auch Druck auf ihre eigenen Regierungen ausüben und die politischen Parteien dazu ermutigen, sich für die Verabschiedung von Gesetzen zum weiteren Schutz der allgemeinen Menschenrechte und der Umwelt einzusetzen. So zum Beispiel das derzeit geplante Lieferkettengesetz, welches die Sorgfaltspflicht von Unternehmen verbindlich vorschreibt, um einige der Hauptursachen für Umweltzerstörung und Menschenrechtsverletzungen zu bekämpfen.

Wenn Sie Anwält:in oder Jurastudent:in sind und kriminalisierte Menschenrechtsverteidiger:innen unterstützen möchten, melden Sie sich gerne bei laura.kuehn(at)pbi-deutschland.de.

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