11.11.2016 - Die Menschenrechtslage für die LGBTIQ-Gemeinschaft (Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Intersexuelle) in Honduras ist prekär. Seit Jahren kommt es zu Hassverbrechen gegen deren Mitglieder. Menschenrechtsverteidiger_innen (MRV), die sich für LGBTIQ-Rechte einsetzen, sind gefährdet, da sie die Rechte einer nicht-anerkannten und marginalisierten Gruppe verteidigen.
Die meisten Täter gehören der Polizei an
Seit dem Staatsputsch 2009 bis heute, wurden über 200 Morde an LGBTIQ-Mitgliedern registriert, wobei der Großteil der Opfer homosexuelle Männer waren. Doch nicht nur die Zahl der Todesopfer ist alarmierend, sondern auch die Straflosigkeit in diesen Fällen. Über 90% der Verbrechen kommen nicht vor Gericht und bleiben somit unbestraft. Erschwerend kommt hinzu, dass viele der Täter Teil des öffentlichen Apparates sind. So werden 70% der Menschenrechtsverletzungen gegen die LGBTIQ-Gemeinschaft von der Polizei verübt. Verbrechen wie illegale Verhaftungen, Erpressungen und Belästigungen werden aus Angst vor Unterdrückung und Gewalt oft gar nicht angezeigt. Für die LGBTIQ-Gemeinschaft stellen die Polizei und das Militär, welche in den Strassen patrouillieren, das größte Risiko dar. Weiter besteht für inhaftierte LGBTIQ-Personen eine erhöhte Gefahr sexueller Gewalt von Seiten anderer Häftlinge oder dem Sicherheitspersonal.
Am 20. August 2015 fingen Agenten der Militärpolizei Marco Aurelio López, MRV und Direktor der «Asociación Manos Amigas» ab, fuhren ihn in einen anderen Stadtteil, verprügelten und vergewaltigten ihn dort. Am 24. Januar 2016 wurde Paola Barraza, Mitglied der Trans-Gruppe «Muñecas», vor ihrem Haus erschossen, nachdem sie schon ein halbes Jahr zuvor von Unbekannten angeschossen worden war. Beide Fälle sind bis anhin noch nicht vor Gericht gebracht worden.
Die Diskriminierung ist allgegenwärtig
Es gibt verschiedene Ursachen für die Diskriminierung der LGBTIQ-Gemeinschaft. Als in den 80er Jahren der erste Fall von HIV in Honduras auftauchte, brachte der Staat die Verbreitung des Virus mit der LGBTIQ-Gemeinschaft in Verbindung. Doch nicht nur der Staat, sondern auch die Kirche, Medien und Schulen erschweren den Prozess der Gleichstellung und Akzeptanz von LGBTIQ-Menschen. Sie werden oft nur auf ihre sexuelle Aktivität reduziert und die verwendete Sprache ist homophob und provoziert somit Disqualifikation, soziale Exklusion und Hass. Für viele Mitglieder der LGBTIQ-Gemeinschaft ist es sehr schwierig eine Arbeit zu finden, was viele in die Prostitution treibt.
«Wenn die Medien gegen dich sind, die Kirche gegen dich ist, der Präsident gegen dich ist, wie kannst du dann Kraft finden, um deinen Standpunkt auszusprechen und für Unterstützung zu sorgen?» - Indyra Mendoza Aguilar von der feministischen Lesbenorganisation «Cattrachas» (The Irish Times, 12. Mai 2015)
In Honduras hat die Kirche einen großen Einfluss auf die Gesellschaft und Politik. So wird im traditionellen Diskurs der Kirche Homosexualität als eine Bedrohung dargestellt und viele Honduraner_innen betrachten sie als eine ansteckende Krankheit. Bedauerlicherweise ist es für viele eine größere Sünde, wenn sich ein Mann als Frau kleidet, als wenn ein Politiker oder Funktionär Geld stiehlt. Bei den Parlamentswahlen im Jahr 2012 kandidierten vier Personen aus der LGBTIQ-Gemeinschaft für die Partei LIBRE. Daraufhin forderte der Pastor Evelio Reyes die Gläubigen auf: «Stimmt nicht für Homosexuelle und Lesben, welche die Modelle Gottes verderben, stimmt nicht für die Feinde Gottes.»
«Asociación LGBTI Arcoíris» - LGBTI-Vereinigung Regenbogen
«In Honduras wird Homosexuellen das Recht auf Leben nicht zugestanden. Wir wollen, dass unsere menschliche Würde respektiert wird.» - Donny Reyes (Foto), Koordinator von Arcoíris.
Donny Reyes, Koordinator von Arcoíris, wurde schon mehrmals Opfer von Angriffen, sexuellen Übergriffen, Inhaftierungen und Einschüchterungen. Dies führte dazu, dass die Interamerikanische Kommission für Menschenrechte (CIDH) im Jahre 2012 von der Regierung Schutzmechanismen für ihn forderte, welche jedoch nie umgesetzt wurden. Die Drohungen gingen weiter und die Situation zwang Reyes dazu, im gleichen Jahr ins Ausland zu fliehen. Doch dies empfindet der Aktivist nicht als Lösung, daher kehrte er nach etwas mehr als sechs Monaten nach Honduras zurück: «Das Exil ist eine Option, aber wenn alle aus dem Land flüchten, was bleibt schlussendlich übrig?»
Begleitung und Unterstützung von pbi
Donny Reyes und die Organisation Arcoíris werden seit 2015 von pbi begleitet. Die internationale Begleitung schützt die Menschenrechtsverteidiger_innen im Land und stärkt ihr Engagement. Im September 2015 organisierte pbi eine Speaking Tour, bei welcher Donny Reyes die Möglichkeit hatte, in diversen europäischen Ländern über die Lage der LGBTIQ-Gemeinschaft zu berichten und so international Unterstützung für seine Anliegen zu bekommen. In Februar 2016 veröffentlichte pbi eine «Alerta» (Warnung), in welcher die internationale Gemeinschaft auf die Sicherheitslage der Mitglieder von Arcoíris aufmerksam gemacht und aufgerufen wurde, Druck auf die Regierung auszuüben.
Text: pbi Schweiz