– Die Gründung neuer Streitkräfte, das Eindringen des Militärs in zivile Bereiche wie Schulen und Gefängnisse und die Vernachlässigung der Gewaltprävention: Die Remilitarisierung der zivilen Angelegenheiten in Honduras bereitet den Bürger:innen und zivilen Organisationen große Sorgen.
Die Remilitarisierung der zivilen Angelegenheiten in Honduras ist kein neues Phänomen. Im Jahr 2011 ermächtigte der damalige Kongresspräsident und heutige Präsident von Honduras, Juan Orlando Hernández, die Armee, Aufgaben der Polizei und der zivilen Sicherheit zu übernehmen. Dafür schuf er den Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrat. Die interamerikanische Menschenrechtskommission prangerte dies 2018 an, als sie die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit staatlicher Institutionen in Frage stellte.
Die Gründung neuer Militäreinheiten
Ein wichtiger Moment der Remilitarisierung in Honduras war die Ermächtigung des Militärs, vorübergehend und in Notsituationen polizeiliche Aufgaben übernehmen zu können. Das Gesetz wurde jedoch bereits mehrfach verlängert. Darauf folgte die Schaffung der Militärpolizei für die öffentliche Ordnung, Policía Militar del Orden Público (PMOP). Heute fungiert sie immer noch als polizeilicher Zweig der Streitkräfte und verfügte im Jahr 2017 über 5.000 Beamte. Derzeit ist nicht bekannt, ob es einen Plan für ihre Auflösung gibt.
Die spezielle militarisierte Polizeieinheit TIGRES (Toma Integral Gubernamental de Respuesta Especial de Seguridad) wurde 2013 gegründet mit der Aufgabe, die institutionellen Maßnahmen des Staates zur Bekämpfung der Unsicherheit zu stärken. Obwohl diese Einheit Teil der Polizei des Landes ist, tragen sie Tarnuniformen, Langstreckenwaffen und verfügen über eine spezialisierte Kommunikationsausrüstung. Zivilgesellschaftliche Organisationen berichten, dass die TIGRES und die PMOP zusammen mit der zivilen Polizei Aufgaben der öffentlichen Sicherheit wahrnehmen, wie z.B. auf Strassen und Autobahnen patrouillieren, bei öffentlichen Protesten die Ordnung aufrechterhalten und Bergbau- und Wasserkraftunternehmen bei Konflikten mit lokalen Gemeinschaften schützen.
Insgesamt gibt es 19 verschiedene Polizei- und Militäreinheiten in Honduras, deren Zuständigkeiten sich zum Teil mit den anderen Einheiten überschneiden. Als Reaktion auf die Schaffung dieser Einheiten betonte die damalige Leiterin des Büros des Hochkommissariats für Menschenrechte, Alta Comisionada para los Derechos Humanos de Naciones Unidas in Honduras, María Soledad Pazo, im Jahr 2018 die Notwendigkeit, die öffentliche Sicherheit zu entmilitarisieren. „Eine Militärpolizei, die nicht für die Aufgaben einer zivilen Polizei ausgebildet ist, kann nicht aufrechterhalten werden, da die Gefahr von Menschenrechtsverletzungen gross ist“.
Der Einzug in Schulen und Gefängnisse
Die Remilitarisierung von Honduras beschränkt sich nicht nur auf die Sicherheit der Bürger*innen, sondern tritt auch in andere Bereiche des zivilen Lebens ein. So wurde das Militär 2012 mit der Verwaltung des Programms „Guardianes de la Patria“ betraut. Damit wurde das Ziel verfolgt, in öffentliche Schulen, militärische, staatsbürgerliche und religiöse Ideale zu vermitteln, was Organisationen der Zivilgesellschaft als sehr beunruhigend bezeichneten.
Des Weiteren übernahmen militarisierte Gruppen nach Ermordungen im honduranischen Gefängnissystem die Verantwortung für vier Hochsicherheitsgefängnisse. Obwohl dies erneut als vorübergehende Maßnahme angekündigt wurde, ist die Entscheidung noch nicht rückgängig gemacht worden. Die Präsenz der Streitkräfte hat jedoch nicht zu einem Rückgang der Menschenrechtsverletzungen beigetragen. Das Comité Nacional de Prevención Contra la Tortura Tratos crueles Inhumanos y Degradantes (CONAPREV) erklärt, dass die Militarisierung des Gefängnissystems gegen internationale Menschenrechtsstandards verstösst. NGO’s warnen, dass dieser Schritt „zu keiner Veränderung führen wird“ und dass zwar ein gewisses Maß an Intervention notwendig ist, diese aber „von der Zivilgesellschaft ausgehen muss“.
Die Finanzierung der militärischen Gruppen
Diese immer neuen Aufgaben der Streitkräfte haben zwischen 2016 und 2018 zu einer Aufstockung des Armeebudgets um 7,2% geführt. Laut dem UNO-Hochkommissariat für Menschenrechte stellt dies „das Interesse der Regierung zur kontinuierlichen Förderung der zivilen Sicherheit in Frage“. Denn das Eingreifen der Streitkräfte in Angelegenheiten der inneren Sicherheit geht in von Gewalt geprägten Kontexten sehr oft mit Menschenrechtsverletzungen einher. Der Gewaltprävention dagegen wird eine niedrige Priorität eingeräumt, da weniger als 6% der Haushaltsmittel für die Sicherheit dafür verwendet werden. In diesem Zusammenhang gibt es auch viele Zweifel an der Art und Weise, wie die Armee diese Mittel verwaltet haben, da diese Informationen ein Staatsgeheimnis sind.
„Soldaten mischen sich ein in Angelegenheiten der Telekommunikation, der Energie, der Justiz… Außerdem sehen wir, dass sich diese Militarisierung mit einer Forderung an die nächste Regierung nach mehr Mitteln für die Polizei und die Streitkräfte zu verfestigen versucht“, sagt die Anwältin und Menschenrechtsaktivistin Reina Rivera.
Text: pbi Schweiz
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