09.04.2018 - Omar Jerónimo, Angehöriger des Maya-Chort’i-Volkes in Guatemala, wurde am 21. März von der pbi Regionalgruppe Berlin in die Galerie Olga Benario eingeladen, um über seine Arbeit und den Anlass für seine Europa-Reise zu sprechen. Die ca. 30 Gäste konnten einen Vortrag hören, der sich vor allem auf den historisch bedingten politischen Kontext bezog, in dem die mehrheitlich indigene Bevölkerung des Landes stets marginalisiert und diskriminiert worden ist und immer noch um ihre Rechte kämpft. Dies tut auch die von Omar Jerónimo mitbegründete Organisation Coordinadora Central Campesina Chort‘i Nuevo Día. Wie lassen sich die Kämpfe der Maya-Chortís - um das Recht auf ihr Land und auf Mitbestimmung bei der Realisierung von Bergbau und Wasserkraftwerke in ihren Gebieten - auf nationale Ebene übertragen? Und was hat Europa damit zu tun? Dies waren die Fragen, die Omar an diesem Abend ansprach und im weiteren Verlauf zu einer regen Diskussion mit den Gästen geführt hat.
Guatemala erlitt einen 36 Jahre andauernden Bürgerkrieg zwischen staatlichen Streitkräften und Guerrilla-Gruppen, der 1996 mit mehreren Friedensverträgen beendet wurde und mehr als 200.000 Tote und Verschwundene hinterließ. Betroffen war vor allem die indigene Bevölkerung in ländlichen Gebieten. Besonders zu Beginn der 1980er Jahre wurden im Zuge der Guerillabekämpfung ganze Dorfgemeinschaften massakriert und Tausende von Menschen wurden zu Flüchtlingen im eigenen Land. Während dieser Zeit wurde pbi’s Präsenz in Guatemala angefragt, sowohl für die Schutzbegleitung von Betroffenen als auch für die Verbreitung von Informationen aus Guatemala auf internationaler Ebene. Nach Unterzeichnung des Friedensvertrages besserte sich die Lage für die organisierte Zivilgesellschaft zunächst deutlich, so dass pbi zu der Überzeugung gelangte, dass seine Schutzbegleitung nicht mehr benötigt wurde, und das Land verließ. Schnell wurde aber klar, dass Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen und Menschenrechtsorganisationen auch in Friedenszeiten aufgrund ihrer Bemühung um Aufarbeitung der Bürgerkriegsverbrechen und um die Schaffung von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit bedroht und verfolgt wurden, so dass pbi 2003 nach Guatemala zurückkehrte.
Auch für die Rechte indigener Völker ist die Arbeit der CICIG nicht unerheblich, wie Omar Jerónimo hervorhob. Sie kann z.B. verhindern, dass Konzessionen an (multinationale) Unternehmen für Bergbau- und Wasserkraftprojekte mittels Bestechung der zuständigen staatlichen Stellen vergeben werden. Die Bemühungen der herrschenden Eliten in Guatemala, die CICIG aus dem Land zu jagen, setzt er in unmittelbaren Zusammenhang mit einigen Gesetzesinitiativen, die darauf abzielen, die rechtlichen Möglichkeiten der armen Bevölkerungsmehrheit sowie auch der organisierten Zivilgesellschaft einzuschränken. Für die Maya-Völker besonders relevant ist ein Gesetzesentwurf zur Regelung der Konsultation indigener Völker. Internationale Regeln, die Guatemala angenommen hat, besagen nämlich, dass indigene Völker konsultiert werden müssen, wenn es sich um Angelegenheiten handelt, die sie unmittelbar betreffen. Dies soll ihr Recht auf Selbstbestimmung garantieren. Der vorliegende Gesetzesentwurf wurde jedoch nicht mit der indigenen Bevölkerung abgestimmt und sie sind nicht einmal angehört worden. Das Gesetz sieht auch keine Situation vor, in der die indigenen Völker selber einen Konsultationsprozess initiieren. Dies könnte leicht dazu führen, dass solche Eigeninitiativen als illegal ausgelegt werden und die Initiator_innen dafür im Gefängnis landen. Für die Arbeit an dem Konsultationsgesetz ist die Beratung der bundesdeutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) in Anspruch genommen worden. Omar Jerónimos Aufenthalt in Deutschland hat auch dazu gedient, mit Vertreter_innen der GIZ zu sprechen und ihnen die dem Gesetz innewohnende Problematik vor Augen zu führen, insbesondere aus der Perspektive der betroffenen indigenen Völker Guatemalas. In seinem Vortrag in der Galerie Olga Benario verwies er ebenfalls auf neue Gesetzentwürfe, unter anderem zur stärkeren Kontrolle der Arbeit und Finanzen von NGOs, wodurch ihre Autonomie geschwächt werden würde. Die Arbeit der CICIG und weitere Institutionen sowie von NGOs muss geschützt werden, um existierende Rechte zu bewahren, so ein Fazit aus dem Abend. Omar Jerónimo legte den Gästen in der Galerie Olga Benario auch nahe, dass Entwicklung nicht nur aus wirtschaftlichem Wachstum besteht, sondern nachhaltig sein und von den Menschenrechten her gedacht werden muss. Dass pbi nicht nur Begleitung in Guatemala, sondern auch in Europa bieten kann, um dies realisieren zu können, bleibt unbestritten.
Text: Sebastián Eduardo
Siehe auch:
https://pbideutschland.de/aktuelles/berlin-der-menschenrechtsaktivist-omar-jerónimo-aus-guatemala-berichtet-über-seine-arbeit
https://www.peacebrigades.org/en/guatemala