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24.08.2021 – Menschenrechtsverteidiger:innen bereiten den Nährboden für ein friedvolles Miteinander. Indem sie sich für die Einhaltung der Rechte marginalisierter Gruppen einsetzen und sich für die Wiederherstellung der menschlichen Würde stark machen, sind sie zentrale Akteure der Friedensarbeit. Das braucht Mut: Immer wieder erfahren Menschenrechtsverteidiger:innen (MRV) Gewalt, werden bedroht, diffamiert und ermordet. Seit 40 Jahren schützt und unterstützt peace brigades international (pbi) als Trägerorganisation des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) MRV bei ihrem gewaltfreien Einsatz für eine friedlichere Welt – immer auf Augenhöhe. Wie das funktionieren kann und warum Friedensarbeit global verstanden werden muss, zeigt der folgende Beitrag.

Wir begeben uns in den ländlichen Nordwesten des mittelamerikanischen Landes Honduras, in die kleinbäuerliche Gemeinde Quimistán. Hier, inmitten ressourcenreicher Natur mit Regenwald und klarem Quellwasser, auf dem Gebirgszug an der Grenze zum Nachbarland Guatemala, ist Kevin Ramírez aufgewachsen. Auch heute lebt er mit seiner Familie und seiner Dorfgemeinschaft noch an diesem Ort. Doch die natürlichen Ressourcen, die den Menschen über Generationen hinweg ein gutes Leben mit der Natur ermöglichten, sind in Gefahr.

Bedroht werden sie von Unternehmen, die das Land zu Gunsten profitabler Großprojekte ausbeuten. Aufgrund der unzähligen Bäche und Flüsse verfügt die Gemeinde Quimistán über ein großes hydroelektrisches Potential, das mit der Installation von Wasserkraftwerken erschöpft und privatisiert werden soll. Auch wenn internationale Abkommen, wie etwa die ILO-Konvention 169, vor Baubeginn solcher Projekte eine Konsultation der Menschen vorschreibt, die im Einflussbereich des Bauvorhabens leben, sieht die Realität aufgrund der fragilen Rechtsstaatlichkeit in Honduras oftmals anders aus. Der Bau eines Wasserkraftstaudamms am Fluss Cuyagual, der sich durch Quimistán schlängelt, ist ein Beispiel für die Konsequenzen dieser Politik. Durch die eingesetzten Sprengungen ist der Fluss heute verseucht, in Teilen ausgetrocknet und ohne Fische. Auch die Pflanzen, die vormals von ihm zehrten, sind eingegangen. Insgesamt 15 kleinbäuerliche Gemeinschaften sind von den Auswirkungen dieses Wasserkraftwerks existenziell betroffen. Und das beschreibt lediglich die destruktive Reichweite eines Bauprojekts. Im gesamten Departement Santa Bárbara, zu dem Quimistán gehört, sind Konzessionen für 15 Wasserkraftwerke und 23 Bergbauprojekte vergeben.

Kevin Ramirez im Gespräch mit einer pbi-Freiwilligen„Wir sind eine wasser­reiche Gemeinde. Wir leben vom Land, das uns Kardamom, Mais und Bohnen gibt. Wir fühlen uns mit dem Wasser verbunden, verbunden mit Mutter Erde, verbunden mit der gesamten Natur, die Gott uns gegeben hat. Und wenn man diese Verbindung spürt, fühlt man sich verpflichtet, das Land zu verteidigen und sich darum zu kümmern.“ 
– Kevin Ramírez im Gespräch mit einer pbi-Freiwilligen

Seit 2012 setzt sich Kevin gemeinsam mit anderen MRV aus der Region friedlich für den Schutz des Landrechts ein. Sie teilen ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit weiteren, ebenfalls von Großprojekten bedrohten Dörfern im Departement. Im Jahr 2017 gründete Kevin die Vereinigung ASODEBICOQ, der sich bis heute 27 Gemeinden angeschlossen haben. Damit begeben sie sich in große Gefahr, denn Landrechtsverteidiger:innen werden in Honduras bedroht, angegriffen und er-mordet. Das prominenteste Beispiel ist wohl der Fall um Berta Cáceres, international ausgezeichnete Landrechtsaktivistin, die 2016 umgebracht wurde – bis heute wurden die Auftraggeber:innen dieser Tat nicht verurteilt. Auch Kevin ist aufgrund seines Einsatzes für das kollektive Recht auf Land, für die Menschenrechte und für den Frieden seiner und anderer Gemeinden Bedrohungen, Angriffen und Kriminalisierung ausgesetzt.

Um dieser existenziellen Gefährdung seines Lebens und das der anderen unter ASODEBICOQ vereinten MRV entgegenzutreten, arbeitet er seit 2018 mit dem pbi-Projekt in Honduras zusammen. Das Projekt schützt MRV wie ihn und seine Organisation auf Anfrage, indem internationale Freiwillige MRV physisch begleiten, etwa bei Versammlungen, auf Reisen oder bei Bedarf auch rund um die Uhr. Das Team hält darüber hinaus Kontakt zu staatlichen Stellen und weist auf deren Schutzverantwortung hin. Gemeinsam mit den MRV entwickelt pbi Honduras Fokusthemen und spezifische Strategien – aktuell etwa gegen Kriminalisierung. Auch die internationale Gemeinschaft wird über die Menschenrechtslage in Honduras informiert. Ihre Vertreter:innen, also zum Beispiel Botschafter:innen oder UN-Akteure, unterstützen MRV in ihrer Arbeit, indem sie sich ihrer Anliegen annehmen und politischen Druck ausüben.

Der lokalen Friedensarbeit von Menschen wie Kevin Ramírez ist also eine internationale Reichweite dienlich. Die ihr zu Grunde liegenden Konflikte finden ihre destruktive Brutstätte oftmals in globalen Abhängigkeitsverhältnissen. Daher verlangt der mutige Einsatz der MRV unsere Aufmerksamkeit und unsere global gelebte Solidarität.

Text: Joana Kathe, Beraterin auf Zeit bei pbi Deutschland

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