Weitere Nachrichten zu folgenden Themen: 

29.07.2021 – Als sie herausfand, dass eine Wasserkraftanlage den Gemeindefluss bedrohte, tauschte Alba Domínguez, ein Mitglied der Organisation Sociedad Civil San José, ihre Nähmaschinen gegen Versammlungen, Streikpostenketten und andere Formen des Protests. „Ich hatte nur noch nachts Zeit zum Nähen. Nach und nach verlor ich Kunden, weil ich keine Zeit hatte. Schließlich musste ich meine Arbeit aufgeben.“

Artikel_Honduras_Es-mussten-10-Jahre-vergehen,-bis-die-Leute-merkten,-dass-sie-betrogen-wurden_groß.JPGDomínguez ist bewusst, dass der Kampf für die Gerechtigkeit ihr finanzielle, gesundheitliche und familiäre Einbußen eingebracht hat. „Als Resultat auf unseren Widerstand gegen das Projekt haben sie sogar versucht, uns Straftaten anzuhängen, die wir nicht begangen haben.“ Ein Jahrzehnt später und obwohl das Wasserkraftwerk in Betrieb ist, ist Domínguez dennoch zufrieden.

Die Errichtung des Damms Aurora I in der Gemeinde San José (gelegen in La Paz, Honduras) geht zurück auf das Jahr 2009. Mitten in der politischen Krise, die einem Putsch folgte, billigte der Nationalkongress von Honduras das Allgemeine Wassergesetz („Ley General de Aguas“), welches die Möglichkeit eröffnete, durch die Vergabe von Konzessionen die Wasserressourcen des Landes Dritten zu überlassen. Zur selben Zeit wurden bestimmte Gebiete von La Paz zur „Wasser produzierenden Zone“ erklärt. In 2010 gab das Nationale Elektroenergieunternehmen dem Investmentunternehmen La Aurora die Genehmigung für einen Zeitraum von 30 Jahren. „So gelang das Aurora I Projekt mit einer Gesamtkonzession von 102 km² in fünf Gemeinden auf indigenes Lenca-Gebiet“, erklärt Sociedad Civil San José, eine Organisation, welche den Widerstand gegen den Damm angeführt hatte. Sie fügt hinzu, dass der Prozess in der Ausstellung von Betriebserlaubnissen durch die örtliche Regierung gipfelte. „Wir haben schon immer vermutet, dass Unterschriften aus anderen Fällen benutzt wurden, um dieses Projekt im Namen der Ortsansässigen zu legitimieren.“ Es gab nie ein freies, vorangestelltes und informiertes Verfahren. „Dies stellt eine Verletzung der ILO-Konvention 169 dar“, sagen örtliche soziale Organisationen.

Als die Organisation Sociedad Civil San José Kenntnis von der Abgeordneten der Nationalen Partei und Vizepräsidentin des honduranischen Nationalkongresses, Gladys Aurora López, und ihrem Interesse daran, einen Damm zu bauen, bekam, begann sie zahlreiche Treffen, Versammlungen und Stadträte zu organisieren, um bei den Menschen das Bewusstsein für die Auswirkungen des Projekts zu stärken. Das Unternehmen begann jedoch damit, Versprechungen zu machen, um die Gemeinden zu beeinflussen. „Sie versprachen ihnen kostenlosen Strom, Wasser, Häuser, Schulen, eine Ambulanz… aber tatsächlich hat das Unternehmen praktisch keines seiner Versprechen erfüllt.“ Sie erinnern sich nur an ein Gebäude, dass das Unternehmen zur Feier von religiösen Festen zur Verfügung stellte.

Direkte Auswirkungen

„Im Gegenteil: Der Bau des Damms hatte große Auswirkungen und die Entbehrungen in einem Gebiet, das traditionell zu den ärmsten im Land gehört, blieben dieselben“, erklärt Sociedad Civil San José. Mindestens 50 Familien waren gezwungen ihr Land zu verkaufen, um dem Damm Platz zu machen und Hunderte blieben ohne Zugang zu Trinkwasser, da der Wasserstand in den höheren Gegenden des Chinacla-Flusses sank. „Es gibt Frauen in den Bergdörfern, die bis zu zwei Stunden laufen müssen, um Trinkwasser aufzutreiben.“ Außerdem hat das Projekt die Stromversorgung auch nicht sichergestellt. In 2018 hatten 49 % der Bevölkerung keinen Zugang zum öffentlichen Stromnetz. „Nicht einmal die Erdrutsche während der Hurricanes Eta und Iota konnten das Unternehmen dazu bewegen, solidarisch zu handeln“, fügt sie hinzu.

Was das Projekt gebracht hat, war eine Zunahme an Konflikten innerhalb der Gemeinschaft und mit der örtlichen Regierung. Mehrere Aktivist:innen, die sich dem Projekt widersetzt hatten, waren sogar gezwungen, ihre Häuser zeitweise zu verlassen, als ihnen angedroht wurde, ihre Häuser in Brand zu setzen, „weil sie sich dem Bau widersetzten“.

Ein Blick in die Zukunft

Trotz dieser Situation und der Inbetriebnahme von Aurora I im Jahre 2018, ist Sociedad Civil San José sicher, dass ihre Anstrengungen es wert waren. „Wir bereuen nichts, weil wir auf der richtigen Seite stehen. Trotzdem hat es zehn Jahre gedauert, bis die Leute realisiert haben, dass wir betrogen wurden.“ Außerdem glauben sie, dass ihr Kampf das Bewusstsein in der Gemeinschaft gesteigert hat. „San José hat es nicht geschafft, den Dammbau zu verhindern, aber das Beispiel unserer Organisation und unseres Widerstandes könnte andere Projekte aufhalten.“ Sociedad Civil San José denkt dabei an ein Dutzend Gemeinschaften, die sich organisieren und gezwungen sind, koordinierte Maßnahmen in Ihrem Alltag zu ergreifen, um ihr Land und die Gemeinschaftsgüter zu verteidigen. Sie denken auch an die Gemeinschaften, die dies im Lichte der Regierungsbekanntmachung (PCM 138-2020) zur Priorisierung des Baus von 14 Wasserkraftdämmen machen müssen.

Text: pbi Honduras; Übersetzung: Ina Wailand