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Honduras: „Wenn wir nicht selbst für uns sorgen, wer wird es dann tun?“

Honduras: „Wenn wir nicht selbst für uns sorgen, wer wird es dann tun?“

09.08.2020 – „Als die COVID-19 Krise begann, haben sich die Gemeinschaften versammelt und beschlossen, dass wir diejenigen sein werden, die sich um die Eingangs- und Ausgangskontrollen der Gemeinschaften kümmern werden“, erklärt Sebastián Reyes, der Generalsekretär der Regionalversammlung der „Central Nacional de Trabajadores del Campo“ (CNTC, deutsch: Nationalzentrale der Landarbeiter) des Ressorts von La Paz und Bewohner der Gemeinschaft El Encinal in La Paz (Honduras). Dort haben sich ca. 300 Familien dazu entschlossen, sich dem Kampf gegen das Coronavirus zu stellen, woran sich bis zum 6. August bereits 45.755 Honduraner_innen infiziert haben und 1.446 gestorben sind.

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CNTC (Honduras)
Es scheint so, als ob die Maßnahmen wirksam sind: „Bis jetzt gibt es noch keinen Fall in der Gemeinschaft und wir hoffen, dass es auch weiterhin keinen geben wird, denn das einzige Gesundheitszentrum, das es in der Gemeinschaft gibt, würde sich nicht um die Kranken kümmern“, fügt Sebastián hinzu und prangert die Prekarität des honduranischen Gesundheitssystems an. Gemäß der Daten des „Comisionado Nacional de los Derechos Humanos“ (CONADEH, deutsch: Nationales Komitee für Menschenrechte), hat Honduras ungefähr 14 Mediziner_innen und Krankenpfleger_innen pro 10.000 Einwohner, womit es eines der Gesundheitssysteme mit dem wenigsten Personal in Mittelamerika ist.

„Frauen sind immer noch diejenigen, die die Rolle der Nahrungsversorger_innen übernehmen“

Die Familien von El Encinal und Umgebung haben eine Hauptwache auf einem Weg aufgebaut, der zu über 20 Gemeinschaften führt. Tagsüber und auch in der Nacht gibt es immer eine Gruppe von mindestens fünf Personen, die in einem Notizbuch alle eintragen, die hinein oder hinaus gehen. Normalerweise kümmern sich die Männer darum, da, wie María Felicita López, Koordinatorin des „Movimiento Indígena Lenca Independiente de La Paz“ (MILPAH, deutsch: Unabhängige Lenca-Bewegung für Frieden in La Paz), ausführt „wir keine Zeit haben, um dort zu sein, weil wir mit Arbeit überlastet sind“. In diesem Sinne fügt Wendy Cruz, Respresentantin der „Articulación de Mujeres de la Vía Campesina“ hinzu, dass mit dem Ausbruch von COVID-19, die Frauen immer noch diejenigen sind, die „die Rolle der Nahrungsversorger_innen und Familienpfleger_innen übernehmen, womit sie sich oftmals gesundheitlichen Gefahren aussetzen.“

Zur Funktionsweise dieser Wachen erklärt Sebastian Reyes: „Es ist den Leuten, die in diesen Gemeinschaften Leben und die zur Arbeit auf den Grundstücken oder anderen der Zone eigenen Arbeitsstellen gehen, erlaubt hinauszugehen und hineinzukommen. Außerdem wurde für die Belieferung der „pulperías“ (Kleine Geschäfte mit Nahrungsmitteln und Hygieneprodukten) nur am Anfang der Straße ein Platz aufgebaut, an dem die Zulieferer ihre Ware verkaufen können“. Dies sind einige der eingesetzten Strategien, um das Eindringen des Coronavirus auf ihr Land zu verhindern. Aus El Encinal wird angeführt, dass diese Entscheidung getroffen wurde, weil es schon vor der Pandemie kaum Hilfe, weder vom Militär noch von der Polizei, erhielt und nun wollen sie nicht, dass es in ihre Gemeinschaften eindringt. „Im Moment kommt die Polizei nur, um zu überprüfen, dass es den Leuten, die arbeiten gehen müssen, erlaubt ist, hinein und hinaus zu gehen. Wir selbst kümmern uns um uns, denn wer tut es sonst, wenn wir die Wache auslassen?“, fasst der Leiter der Landwirte zusammen.

Vor der Pandemie

Die örtliche Selbstverwaltung zu übernehmen war für El Encinal keine schwere Entscheidung. Seit Jahrzehnten schon hat sich die Gemeinschaft Problemen im Zusammenhang mit Wassermangel, Bränden und mit der Abholzung der Wälder gegenüber gesehen. „Es gab schon immer eine gemeinschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Landarbeiter_innen und den Patronaten, die uns gegen die Widrigkeiten zusammengehalten hat und COVID-19 konnte keine Ausnahme sein.“ Die CNTC ist überzeugt davon, dass es gerade diese vorherige Organisationweise war, die das gute Funktionieren der Maßnahmen ermöglicht hat. „Die Leute gehören zur Basis der Landarbeiter_innen, sie sind organisiert und bewusst“.

Außerdem hat diese Landarbeiter_innenbasis sich organisiert, um zu erreichen, dass die Familien, die es am Dringendsten nötig haben, Versorgung erhalten, auch wenn sie anerkennen, dass es nicht einfach war: „Wir wussten nicht, wie wir an Nahrungsmittel kommen sollten, um sie verteilen zu können. Die Gemeinde gab etwas an Vorrat, aber nicht genug.“ In diesem Sinne prangert Sebastián Reyes die Politisierung dieser Regierungshilfen an, die „zufällig“, nicht bei den organisierten Gemeinschaften der Landwirt_innen ankamen. „Dies scheint wie ein rette sich wer kann“, fasst er zusammen.

„Consejo de Emergencia Municipal“

Die Gemeinschaft von Sebastián Reyes ist nicht die einzige in Honduras, in der die örtliche gemeinschaftliche Selbstverwaltung funktioniert. In anderen, so erklärt der CONADEH, werde wegen dem Mangel der Kapazität der Polizei, das ganze Land abzudecken, der sogenannte „Consejo de Emergencia Municipal“ (CEM, deutsch: Rat für Gemeindenotfälle) geschaffen, von wo aus versucht wird, die Zivilgesellschaft zu befähigen, damit sie in ihren Funktionen nicht ihre Grenzen überscheiten“ und so, eine vermeintliche Koordination zwischen den Polizeibehörden und der Bevölkerung existiert. Trotzdem versichert das Komitee, dass in dieser Koordination Aggressionen von beiden Seiten beklagt wurden.

Letztlich gibt es, trotz der Existenz der CEM, an vielen Orten des Landes vergessene Gemeinschaften, wo keine Institution die Ein- und Ausgangskontrolle garantiert und auch nicht die geeigneten Gesundheitsmaßnahmen, um die Pandemie in ihren eigenen Heimen aufzuhalten. So sind es die Bewohner_innen, die sich um sich selbst kümmern. Und sie tun dies mit der Voraussicht, es „bis zum Ende weiter zu tun“, erklärt Sebastián.

Text: pbi Honduras; Übersetzung: Ina Wailand

Artikel veröffentlicht in Altreconomía auf Grundlage der Information von Juni 2020