23.09.2021 – Die Schließung des Friedenssekretariats (La Secretaría de la Paz, SEPAZ) und die Übergabe des nationalen Programms zur Wiedergutmachung und Entschädigung (Programa Nacional de Resarcimiento, PNR) an das Ministerium für soziale Entwicklung gefährden den Schutz der Opfer des Bürgerkriegs. Die Schließung des SEPAZ und weiterer Institutionen, die zur Umsetzung der Friedensverträge von 1996 geschaffen wurden, gehen mit einer Zunahme der Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger:innen in der ersten Hälfte des Jahres 2021 einher.
Die Unidad de Protección a defensoras y defensores de derechos humanos de Guatemala (UDEFEGUA) weist darauf hin, dass bereits in der ersten Hälfte dieses Jahres 551 Angriffe auf Menschenrechtsverteidiger:innen verübt wurden. Zu den erfassten Übergriffen gehören fünf Morde an Verteidiger:innen und drei Mordversuche. Die meisten Angriffe (137) richteten sich gegen im Justizbereich arbeitende Verteidiger:innen, gefolgt von Journalist:innen (87) und Bäuer:innen und Bauern (49).
Sorge um die Erhaltung von 85 000 Akten
Eine weitere Sorge in Bezug auf die Übergabe des PNRs an das Ministerium für soziale Entwicklung ist die Erhaltung der Archive des Programms. Darin befinden sich mehr als 85.000 Akten zu Fällen von Folter, Zwangsumsiedlung, Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen. Macario meint dazu: „Die Akten sind nicht nur alte Dokumente, sie enthalten die Emotionen der Angehörigen und der Opfer. Ihre Zeugenaussagen sind heilig und wir befürchten, dass diese Dokumente verloren gehen könnten“. Während der Pandemie erhiehlt das Personal der PNR-Regionalbüros keine Gehälter mehr ausbezahlt und kurz darauf wurden ihre Verträge gekündigt.
Sehr bedauerlich finden die Vertreter:innen von CONAVIGUA auch, dass bis heute keine Garantie besteht, dass die Opfer 2021 von staatlicher Seite angehört werden. Weibliche Opfer von sexueller Gewalt trifft dies besonders stark. Für sie war es sehr schwierig, über das Geschehene zu sprechen. Mit ihren Aussagen gingen sie hohe Risiken ein und einige mussten sich von ihren Ehemännern trennen oder verloren ihre Familien. In diesem Sinne betont Rosalina Tuyuc, Gründerin von CONAVIGUA, dass die Frauen ihr ganzes Leben lang aufgefordert werden, das Geschehene, also den Genozid, zu verzeihen. Tuyuc bekräftigt jedoch, dass sie weiter nach ihren Toten suchen und die Wahrheit einfordern werden, denn „das Wort Vergebung ist weiterhin sehr weit weg von unserer Realität“.
Weitere Informationen
>> En riesgo el proceso de dignificación de víctimas y sobrevivientes, vollständiger Artikel von pbi Guatemala im Boletín 45, Juli 2021.
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