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08.09.2022 – Nach zweijähriger Verzögerung findet Ende 2022 die 15. UN-Konferenz zur biologischen Vielfalt (UN Biodiversity Conference – CBD COP 15) statt. Hochrangige Politiker:innen, Vertreter:innen aus Wirtschaft und der Zivilgesellschaft aus aller Welt werden vom 5. bis 17. Dezember in Montreal zusammenkommen, um weitere Vereinbarungen und Ziele zum Schutz und zur Förderung der biologischen Vielfalt festzulegen.

30x30Ganz oben auf der Liste der für die COP 15 zu erwar­teten Verein­barungen steht der sogenannte “30x30“-Vorschlag, der vorsieht bis 2030 mindestens 30 % der welt­weiten Land- und Meeres­flächen zu schützen. Mehr als 100 Länder erklären sich mittler­weile dazu bereit, die Schutz­gebiete für die Natur auszu­weiten, um den globalen Entwick­lungen entgegen­zuwirken, die den Verlust der bio­logischen Viel­falt zur Folge haben.

Umwelt­organisationen wie die High Ambition Coalition for Nature and People (HAC), Campaign for Nature und die Rights and Resources Initiative (RRI) verweisen auf die heraus­ragende Rolle der indigenen Gemein­schaften bei dieser Aufgabe. Dabei betonen sie ausdrücklich, dass das Vorhaben der Länder, 30% ihrer Gebiete zu schützen, auf Einhaltung der Rechte Indigener basieren muss. pbi schließt sich diesem dringenden Appell an und äußert die Befürchtung, dass die Ausweitung von Natur­schutz­zonen mittels gängiger Methoden, indigene Menschen­leben fordern wird.

Naturerhalten mit Gewalt: Maasai-Land in Tansania

Am 10. Juni führten Landstreitigkeiten in Loliondo, Tansania, zu einer gewaltsamen Konfrontation zwischen den Maasai-Gemeinschaften und der Polizei. Eine Person wurde dabei getötet, 30 weitere Personen verletzt. Tausende von Menschen waren gezwungen, von ihrem angestammten Land zu fliehen, aus Angst verhaftet zu werden. Ihr Land sollte für Naturschutzprojekte und Wildreservate genutzt werden. Sie hatten gegen bevorstehende Zwangsvertreibungen protestiert. 

Die Massai sind ein halbnomadisches Volk, das hauptsächlich in Tansania und Kenia lebt und saisonal mit seinem Vieh umherzieht. Durch eine Reihe von Naturschutz­gesetzen und Landverordnungen, die bis in die Kolonialzeit zurückreichen, wurde ihr Zugang zu ihrem Land wie auch ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt. 

Massai-Gemeinschaften sind jedoch nicht die einzigen, die im Namen des Naturschutzes mit Zwangsvertreibungen und Umsiedlungen konfrontiert sind.

Der „30x30“-Vorschlag: Naturschutz durch Zwang

Aktivist:innen auf der ganzen Welt befürchten, dass diese Vorfälle mit dem weltweiten 30x30-Vorschlag zunehmen werden. Sie schätzen, dass die Einhaltung dieser Vereinbarungen 300 Millionen Menschen vertreiben und enteignen könnte. Indirekt wären noch viel mehr Menschen davon betroffen. Diese Formen des Naturschutzes, namentlich Naturschutzprojekte und Wildreservate, gehen zurück auf eine lange, blutige, koloniale Geschichte. Soll die 30x30-Verpflichtung Erfolg haben, muss diese anerkannt und Wiedergutmachung geleistet werden.

Seit Generationen besitzen, verwalten und nutzen (indigene) Gemeinschaften Land mit großer Artenvielfalt nachhaltig und friedlich. In der Regel sind weder Besitzverhältnisse noch Landnutzung rechtlich geschützt und somit Ausbeutung und Landraub Tür und Tor geöffnet.

Indigene Gemeinschaften – die effektivsten Umweltschützer:innen 

Die Herausforderung besteht laut Kanyinke Sena (Direktor des Koordinierungsausschusses für indigene Gemeinschaften Afrikas) darin, „die biologische Vielfalt unter Einbeziehung der Menschen zu erhalten“, anstatt die rechtmäßigen Eigentümer:innen, die zugleich aktivsten Bewahrer:innen sind, von den Verhandlungen auszuschließen. Dies würde nicht nur die Rechte indigener Gemeinschaften auf der ganzen Welt verletzen, sondern auch im Widerspruch zu einer Vielzahl von dokumentierten Fällen steht, dass indigene Gemeinschaften den effektivsten Beitrag zum Erhalt unserer Umwelt leisten. Sie schützen 80 Prozent der verbleibenden biologischen Vielfalt der Erde.

Anfang dieses Jahres veröffentlichte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen einen Bericht, aus dem hervorging, dass die Entwaldungsrate in Gebieten, in denen kollektive indigene Landrechte formal anerkannt wurden, deutlich geringer ist – so erzielen beispielsweise in Guatemala gemeinschaftlich verwaltete Waldkonzessionen bessere Erhaltungsergebnisse als Schutzgebiete.

Darüber hinaus ist ihr Wissen über Ökosysteme und die Pflanzen- und Tierwelt, wie auch landwirtschaftliche Praktiken von wesentlicher Bedeutung für Natur- und Umweltschutz. Die enge Verbindung indigener Gemeinschaften zu ihrem Land bedeutet, dass ihr überliefertes Wissen fest in ihren Institutionen verankert ist – so wird es unter anderem seit Jahrhunderten genutzt, um Naturkatastrophen vorherzusagen, längerfristige Klimaveränderungen zu erkennen und Wälder nachhaltig zu bewirtschaften.

Dieses wertvolle Wissen sollte im Mittelpunkt eines jeden Plans zum Schutz der Umwelt stehen.

Der Schutz und die Unterstützung indigener Gemeinschaften ist für die Bewältigung der Klimakrise von entscheidender Bedeutung. Der Weltklimarat (IPCC) hat erkannt, dass zur Bekämpfung der Ursachen globaler Umweltveränderungen die Stimmen jener indigenen und marginalisierter Gemeinschaften gehört werden müssen, die bereits unter deren Folgen zu leiden haben. Viele von ihnen haben jedoch Angst, sich zu äußern. Seit der Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens Ende 2015 sind jede Woche mehr als vier Land- und Umweltschützer:innen getötet worden.

Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Global Witness sind indigene Land- und Naturschutzaktivist:innen einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, Opfer von Gewalttaten zu werden.

pbi unterstützt in acht Ländern indigene Land- und Umweltschützer:innen, die trotz der Drohungen gegen sie und ihre Familien, auch weiterhin aktiv sind. Wir arbeiten hart daran, sie zu schützen und sicherzustellen, dass ihre Stimmen gehört werden.

Es ist höchste Zeit, dass die Entscheidungsträger:innen zuhören.

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