Immer mehr Unternehmen fassen in Mexiko Fuß und nutzen – unter dem Deckmantel der Industrialisierung und Entwicklung – Rohstoffe und Bodenschätze für ihre Zwecke. Als Folge wird der Lebensraum der indigenen und bäuerlichen Gemeinschaften beschädigt und die Umwelt verschmutzt. Die Betroffenen organisieren sich seit 2012, um sich für ihr Selbstbestimmungsrecht einzusetzen.

Juan Carlos Flores Solís befindet sich aufgrund seines Engagements für die Menschenrechte in großer Gefahr. Er ist Anwalt und Mitbegründer der Widerstandsbewegung zur Verteidigung von Land und Wasser in den Bundesstaaten Morelos, Puebla und Tlaxcala (FPDTA-MPT) in Mexiko. Seit etwa zehn Jahren setzt sich seine Organisation für die Verteidigung des Territoriums und die Selbstbestimmung indigener Náhuatl-Gemeinschaften in Zentralmexiko ein. Solís wird seit 2020 von pbi begleitet, da die Gefahren stetig größer werden. Zuletzt gab es im April 2022 mehrere Einschüchterungsversuche – dreimal in Folge wurde in sein Privathaus eingebrochen.

Konfliktursachen und Auswirkungen

Eines der Bauprojekte, dass seine Widerstandsbewegung beklagt, weil es die Landnutzung der Region beeinflusst, ist das staatliche Projekt Integral Morelos (PIM). Es betrifft mehr als 60 Gemeinden mit einem Einzugsgebiet von etwa 800.000 Menschen. Das PIM besteht aus zwei thermoelektrischen Kraftwerken; einer 160 km langen Gaspipeline, die sich durch die drei betroffenen Bundesstaaten zieht; einem 20 km langen Hochspannungsnetz; sowie zwei 12 km langen Aquädukten – eines, um Wasser aus dem Fluss Cuautla zu einem der Kraftwerke zu transportieren, das andere, um das Nutzwasser über eine Kläranlage zurück in denselben Fluss zu leiten. Die Gaspipeline wiederum kreuzt die Evakuierungsrouten des Vulkans Popocatépetl und gefährdet im Falle eines Ausbruchs eine Vielzahl von Gemeinden.

Vor den Gefahren warnten bereits etliche unabhängige, nationale Expert:innen. Trotzdem wird das PIM auch von multinationalen Konzernen wie Volkswagen, Nissan und Audi unterstützt, deren Montagewerke und Zulieferer in der Region ansässig sind und von den Baumaßnahmen profitieren. Doch damit nicht genug: Auch Bonafont, eine mexikanische Tochterfirma des französischen Lebensmittelkonzerns Danone, dass durch die exzessive Wassernutzung im gleichen Gebiet Profite macht, steht im Fokus der Protestbewegung. Die jahrelange Entnahme von über 1,6 Millionen Litern Wasser pro Tag für den Verkauf in Flaschen, verursachte nahe der Stadt Puebla im Jahr 2021 einen mehr als 100 Meter tiefen Krater, dessen Durchmesser stets wächst. Durch die Nähe zur Gaspipeline könnte er einen Unfall tödlichen Ausmaßes verursachen.

Widerstand in der Bevölkerung

Begleitete Menschrechtsverteidiger:innen in MexikoDie Menschen in den betroffenen Gebieten in Morelos, Puebla und Tlaxcala setzen sich bereits seit 2012 zur Wehr. Dabei stehen sie mächtigen, profitorientierten Konzernen und einer Regierung gegenüber, die Entscheidungen zugunsten der Bauprojekte und gegen das Wohlergehen der eigenen Bevölkerung trifft. Bisher brachten sie ihren Widerstand durch Versammlungen, Sitzstreiks, Proteste, Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen und sogar durch rechtliche „Amparo“-Maßnahmen, die einer Verfassungsbeschwerde ähneln, zum Ausdruck.

In diesem Zusammenhang wurden Mitglieder der FPDTA-MPT bedroht, angegriffen und kriminalisiert. Über 20 Menschenrechtsverteidiger:innen wurden aufgrund ihrer Arbeit im Rahmen des PIM strafrechtlich verfolgt, einige wurden rechtswidrig inhaftiert, gefoltert oder verbrachten mehrere Monate im Gefängnis. Darüber hinaus wurden zwei kommunale Medienhäuser gewaltsam geschlossen. Der traurige Höhepunkt der Gewalttaten war die Ermordung des FPDTA-MPT-Anführers Samir Flores Soberanes im Februar 2019. Ein Verbrechen, dass immer noch ungesühnt ist.

Was macht pbi

Seit Februar 2020 begleitet pbi die Widerstandsbewegung FPDTA-MPT und somit auch Juan Carlos Flores Solís. Die Unterstützung zeigt sich im Rahmen der Konsultation zur Morelos-Gaspipeline in vier indigenen Gemeinden in Puebla. Auch auf internationaler Ebene begleitet pbi die Organisation durch physische Präsenz bei öffentlichen Veranstaltungen, friedlichen Demonstrationen und Workshops. Außerdem trägt pbi durch politische Advocacyarbeit, Treffen mit staatlichen und internationalen Behörden sowie durch die Stärkung von Unterstützungsnetzwerken und die Verbreitung von Informationen zur Sichtbarkeit der Probleme bei. Darüber hinaus berät pbi die Organisation in den Bereichen Interessenvertretung, Sicherheit und Schutz.