In Guatemala, wie auch in vielen anderen Ländern weltweit, werden industrielle Megaprojekte oft ohne Rücksicht auf Umwelt und Bevölkerung genehmigt. Die Regierung verstößt dabei immer wieder gegen Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), das einzige verbindliche internationale Abkommen, das die Landrechte indigener Gemeinschaften sichern kann. Die negativen Auswirkungen auf den Lebensalltag der Menschen ist enorm. Dies war auch bei Genehmigung zum Bau der Wasserkraftwerke am Fluss Cahabón der Fall und führte dazu, dass sich die indigenen Gemeinschaften der Maya Q’eqchi‘ seit 2015 im friedlichen Widerstand von Cahabón organisieren.
Das Bündnis der Q’eqchi‘ Gemeinschaften führt seit Anbeginn Konsultationsprozesse mit den Betroffenen durch. Der Widerstand von Cahabón kämpft dabei sowohl gegen die Zerstörung der Natur durch die Investitionsprojekte, als auch gegen die eigene Regierung und die Missachtung der Menschenrechte. So wurde der Anführer der Bewegung, Bernardo Caal Xól, im Jahr 2018 zu über sieben Jahren Haft verurteilt. Angeblich machte er sich der illegalen Festnahme und des schweren Raubes schuldig - die juristische Beweislage war jedoch konstruiert. Laut UN-Experten handelte es sich dabei um einen Fall von Kriminalisierung. Diese Strategie wird laut UN in Guatemala häufig angewandt, um indigene Gemeinschaften an der Ausübung ihrer Rechte zu hindern und so ihr Territorium gegen große Bauprojekte zu verteidigen.
Konfliktursachen und Auswirkungen
In Guatemala am Fluss Cahabón sind aktuell sieben Wasserkraftwerke aus zwei Investitionsprojekten im Bau oder bereits in Betrieb. Vier dieser Anlagen sind Teil des größten Wasserkraftprojekts Mittelamerikas, in dessen Konstruktion mehrere multinationale Unternehmen involviert sind - eines davon mit Hauptsitz in Spanien.
Obwohl die Projekte negative Konsequenzen auf die Umwelt und die natürlichen Ressourcen, wie auch auf den Zugang zu Wasser und Gesundheit der indigenen Gemeinschaften haben, wurden etliche Projekte ohne die vorherige Befragung, geschweige denn Zustimmung der Bevölkerung genehmigt und gebaut. Flüsse, wie der Cahabón, sind für die Q’eqchi‘ nicht nur Lebensgrundlage, sondern auch heilige Orte. Diese hohe Bedeutung wird jedoch kaum beachtet.
Doch die ILO-Konvention 169 schreibt vor, dass indigene Gemeinschaften konsultiert werden müssen, sobald Wirtschaftsprojekte auf ihrem Territorium geplant sind. Doch die Realität sieht anders aus: In den meisten Fällen werden nie Konsultationen durchgeführt.
Widerstand in der Bevölkerung
Der friedliche Widerstand von Cahabón wurde 2015 als Reaktion auf den geplanten Bau von sieben Staudämmen gegründet und umfasste damals 38 Gemeinschaften des Municipio Cahabón. Diese Region, entlang des Flusses Cahabón, wird schon seit Jahrhunderten von den indigenen Maya Q’eqchi‘ bewohnt. Die Widerstandsvereinigung wollte den Bau der Oxec Staudämme verhindern, da diese tiefgreifende Auswirkungen auf das Ökosystem des Flusses haben, unter anderem auf die Wassertemperatur und den Sauerstoffgehalt, wie auch auf den natürlichen Lebensraum der Bevölkerung.
Aus diesem Grund organisierte der friedliche Widerstand 2017 eine Volksbefragung, um die Meinung der Bevölkerung zu ermitteln. Das Ergebnis war eindeutig, da sich lediglich 11 der 26.537 Bewohner:innen für die Präsenz des Konzerns in ihrem Gebiet aussprachen. Der Widerstand fordert weiterhin den Stopp der Bauarbeiten, da die indigene Bevölkerung entgegen der ILO-Konvention 169 nicht von Beginn an nach ihrer Zustimmung gefragt wurde.
Im Fall von Bernardo Caal Xól gibt es inzwischen gute Nachrichten. Er wurde im März dieses Jahres nach mehr als vier Jahren unrechtmäßiger Haft aus dem Gefängnis entlassen. Er wurde jedoch lediglich wegen guter Führung entlassen und nicht, weil seine Unschuld anerkannt wurde. Somit bleibt er weiterhin dem gleichen Justizsystem unterworfen, das ihn kriminalisiert hat und das Risiko einer erneuten Kriminalisierung erhöhen. Die Kriminalisierung von Bernardo steht im direkten Zusammenhang mit dem Wasserkraftprojekt Oxec, welches Finanzmittel der Weltbank erhält. Um in Zukunft Fälle wie den von Bernardo zu verhindern, muss das Lieferkettengesetz die EU-Unternehmen und Finanzinstitutionen verpflichten alle Schäden in ihrem Einflussbereich zu verhindern. Dazu zählt auch die Kriminalisierung von Menschenrechtsverteidiger:innen wie Bernardo.
Was macht pbi
pbi begleitet den Widerstand von Cahabón seit Juli 2017. Anfangs bestand die Arbeit hauptsächlich aus Beobachtung der Versammlungen des Widerstandes und Präsenz in den Gemeinden. Zusätzlich verbreitete pbi Informationen über den Fall. Darüber hinaus führte pbi Selbstschutzworkshops in den Gemeinden durch. Seitdem unterstützt pbi den Widerstand international durch Advocacyarbeit.