Liebe:r Leser:in,
unser Einsatz und unsere Arbeit zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger:innen (MRV) in den pbi-Projektländern ist ein Beitrag dazu, dass die Zivilgesellschaft und die zivilen Strukturen dieser Länder gestärkt werden. Die MRV sollen ihr Engagement gegen Landvertreibung, für Umweltschutz, für die Rechte von Frauen und LGBTIQA+-Gemeinschaften ohne Angst und ohne Bedrohung durchführen können. Auf diesem Weg erleben wir oft Licht und Schatten: Einerseits wird in einigen Ländern von den Regierenden versucht, erreichte Fortschritte wieder zurückzudrehen und Aktivist:innen in ihrer Arbeit einzuschränken. Andererseits gibt u.a. die neue Präsidentin in Honduras, Xiomara Castro, Anlass zur Hoffnung, dass dort MRV in Zukunft besser geschützt werden.
Die Ukraine und Russland sind bisher keine Projektländer von pbi. Aber wir beobachten mit großer Sorge, wie sowohl in den russisch besetzten Gebieten, als auch in Russland selbst Menschenrechte und Meinungsfreiheit noch weiter eingeschränkt werden. Wir sind solidarisch mit den Menschen, die sich in diesem und vielen anderen Konflikten weltweit für Frieden einsetzen. Der Weg zu einer global gerechten Gesellschaft ist noch sehr weit. Jeder noch so kleine Schritt bringt uns voran, mehr Raum dafür zu schaffen. Vielen Dank, dass Sie mit Ihrem Beitrag unsere Arbeit ermöglichen!
Herzliche Grüße Matthias Richter,
Mitglied der Regionalgruppe Rhein-Main
Unsere Projekte im Jahresrückblick
Im März 2022 wurde der indigene Umweltschützer Bernardo Caal Xól auf internationalen Druck hin aus dem Gefängnis entlassen, pbi begleitete ihn direkt nach seiner Freilassung nach Hause. Vier Jahre zuvor war er nach einer konstruierten Anklage inhaftiert worden. pbi unterstützt seit 2017 den »Friedlichen Widerstand von Cahabón«, der von Caal Xól mit initiiert wurde.
Darüber hinaus stand das Jahr 2022 im Zeichen der schweren rechtsaatlichen Krise des Landes, die sich im Rahmen des Auswahlverfarhrens zur neuen Generalstaatsanwaltschaft im Frühjahr und der anhaltenden Kriminalisierung von unabhängigen Richter:innen und Staatsanwält:innen manifestierte. Neben Justizbeamt:innen werden auch Menschen bzw. Organisationen, die sich für die Einhaltung der Menschenrechte engagieren, fortwährend diffamiert, stigmatisiert und kriminalisiert.
Der Besuch kleinbäuerlicher Gemeinschaften durch pbi zeigte zudem, dass landwirtschaftliche Entwicklungen enorm durch staatlich geförderte Monokulturen, die Nutzung chemischer Düngemittel und den daraus resultierenden Verlust der Biodiversität beeinträchtigt sind. Hunderte Gemeindemitglieder reichten einen Gesetzesentwurf zum Schutz der biologischen Vielfalt und des Ahnenwissens beim guatemaltekischen Kongress ein – vorne weg vor allem mutige Frauen.
Die Wahl von Xiomara Castro als erste Präsidentin von Honduras stellt für pbi Honduras und die begleiteten Organisationen einen historischen Moment dar. Einerseits ist die Vergabe politischer Posten an eine beträchtliche Anzahl von MRV ein Hoffnungszeichen, andererseits hat die neue Regierung jedoch große Herausforderungen zu bewältigen.
Im vergangenen Jahr waren Gewalt und Korruption in Honduras auf anhaltend hohem Niveau. Es fliehen immer mehr Menschen vor Armut, Ungleichheit und organisierter Kriminalität; und auch der Klimawandel stellt eine zunehmende Bedrohung dar.
Laut pbi Honduras erfordert der demokratische Übergang besondere Anstrengungen im Beziehungsaufbau und der Anpassung der Advocacy-Strategie. Die Unterstützung lokaler MRV, die sich für friedliche Transformation einsetzen, bleibt trotz Regierungswechsel eine essenzielle Aufgabe. Denn im Jahr 2022 wurden 66 Fälle von Gewalt gegen mindestens 82 MRV und 24 Journalist:innen registriert, davon zehn Morde.
Ein Erfolgserlebnis für pbi Honduras war die Freilassung der acht MRV von Guapinol, die wegen ihres Einsatzes gegen die Kontamination ihres Flusses durch die Eisenoxidmine des Unternehmens »Inversiones Los Pinares« unrechtmäßig 914 Tage in Haft waren. pbi Honduras begleitete die Gemeinde zu Protestaktionen und Anhörungen und hat Advocacyarbeit auf internationaler Ebene vorangetrieben.
Das Jahr 2022 war in Kolumbien von den Präsidentschaftswahlen geprägt. Im Juni setzte sich Ex-Guerillakämpfer Gustavo Petro als erster linksgerichteter Präsident in einer Stichwahl knapp gegen seinen konservativen Konkurrenten durch. Historisch ist auch die Wahl der afrokolumbianischen Umweltaktivistin Francia Márquez zur Vizepräsidentin.
Nach der Vereidigung kündigte das Duo bedeutende Veränderungen an, wie umfassende Reformen des Polizei und Militärapparats sowie im Steuer- und Agrarbereich, die Neuausrichtung der Drogenpolitik und die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit bewaffneten Gruppen.
Zahlreiche von pbi begleitete Organisationen sehen diesen politischen Paradigmenwechsel mit Hoffnung, insbesondere im Hinblick auf die anhaltende Gewalt im Land. Auch die Besetzung von Schlüsselpositionen in der neuen Regierung durch Vertreter:innen begleiteter Organisationen sorgt für Optimismus in der Zivilgesellschaft. Gleichzeitig wird jedoch vor zu hohen Erwartungen in Anbetracht der ‚Mammutaufgabe‘, die der neuen Regierung bevorsteht, gewarnt.
Auch im vierten Jahr der Amtszeit von Andrés Manuel López Obrador stand Mexiko vor erheblichen Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte. Im Mai 2022 registrierte die Suchdatenbank der mexikanischen Regierung erstmals mehr als 100.000 offiziell als verschwunden gemeldete Personen. Auch der UN-Ausschuss gegen das Verschwindenlassen brachte anlässlich seiner ersten Delegationsreise seine Sorge über die Lage in Mexiko zum Ausdruck.
Besorgniserregend waren vor diesem Hintergrund ebenfalls die Entwicklungen im Bereich der Militarisierung bzw. Sicherheitspolitik. Im September 2022 stimmten das mexikanische Abgeordnetenhaus und der Senat für die Eingliederung der Guardia Nacional - der bereits militarisierten Nachfolgerin der Bundespolizei - in das Verteidigungsministerium. Gleichzeitig wurde der Einsatz von Armee und Marine für polizeiliche Aufgaben bis 2028 verlängert.
Menschenrechtsverteidiger:innen und Journalist:innen waren weiterhin erheblichen Risiken ausgesetzt. Neben der fehlenden politischen Anerkennung dieses Problems zeigten sich von pbi begleitete Organisationen, u.a. auch im Hinblick auf offenkundige Anfeindungen bzw. Diffamierungen durch Regierungsstellen, besorgt.
Nach der international als manipuliert angesehenen Präsidentschaftswahl im November 2021, die Daniel Ortega von der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN gewann, wurde der Aktionsradius der Zivilgesellschaft weiter eingeschränkt. Oppositionsmitglieder wurden verhaftet, Radiosender geschlossen und u.a. der katholischen Kirche wiederholt ein Versammlungsverbot ausgesprochen. Viele (inter-)nationale NGOs mussten ihre Arbeit in Nicaragua aufgeben, da sie laut der sandinistischen Regierung terroristische Aktivitäten unterstützen würden.
Laut der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) befinden sich über 200 politische Gefangene in nicaraguanischen Gefängnissen, darunter auch Ex-Kommandeure der FSLN aus der Rebellion gegen Somoza in den 70er Jahren, die mit Ortega zusammen gekämpft haben. Im Jahr 2022 stieg zudem die Zahl der Menschen, die vor den Bedingungen in Nicaragua nach Costa Rica und in die USA flüchteten, weiter an.
In 2022 erhielt das pbi-Team in Costa Rica vermehrt Berichte über Einschüchterungen und Bedrohungen von Nicaraguaner:innen in Costa Rica. Das pbi-Team in San Jose führt daher weiterhin Workshops durch zu Sicherheit, psychosozialen Prozessen, Organisationsstärkung und Öffentlichkeitsarbeit mit u.a. exilierten nicaraguanischen Frauen- und LGBTIQA+-Gruppen.
Für Deutschland spielt Indonesien hinsichtlich der Entwicklungs-, Wirtschafts- und Außenpolitik, einschließlich der Klimaaußenpolitk, eine immer wichtigere Rolle. Gleichzeitig sind die Menschenrechtslage und die demokratischen Standards in Indonesien desaströs. MRV, die sich gegen menschenrechts- und demokratiefeindliche Zustände einsetzen, wird mit Repression begegnet. Insbesondere in Papua wird gewaltvoll gegen Indigene vorgegangen.
Umweltverteidiger:innen, die sich für die Erhaltung ihrer Lebensgrundlagen wie sauberes Wasser oder den Regenwald einsetzen, werden zum Ziel von Gewalt und Bedrohungen – insbesondere, wenn es sich um Palmöl- oder Infrastrukturprojekte handelt.
pbi Deutschland realisierte 2022 gemeinsam mit der lokalen Partnerorganisation ELSAM ein Projekt zur Stärkung von MRV. Dabei wurde in Westpapua ein Sicherheits- und Advocacynetzwerk mit Umweltverteidiger:innen aufgebaut. Zudem fanden Workshops mit einer Gruppe junger Erwachsener aus Papua statt, mit dem Ziel die Situation vor Ort zu reflektieren und gegenseitiges Verständnis aufzubauen. Diese Workshops endeten mit einer Fotoausstellung zu Papua, die bei der Eröffnung in Jakarta großen Anklang fand.
Im November 2022 fanden in Nepal Parlamentswahlen statt. Dabei wurden viele junge Menschen ins Amt gewählt und Mitglieder traditioneller Altparteien, die ihre Versprechen kaum einhielten, abgewählt. Die Menschenrechtslage in Nepal ist weiterhin kritisch, insbesondere die Situation von Frauen.
Hier setzt das pbi-Projekt an, welches pbi Deutschland zusammen mit der lokalen Partnerorganisation COCAP seit 2022 durchführt. Ziel des neuen Projekts ist es, ein landesweites Netzwerk von sogenannten »Peer-to-Peer«-Lerngruppen zu schaffen. So können sich nepalesische MRV gegenseitig unterstützen, ihr Wissen austauschen und durch externe Expertise erweitern. Dadurch soll insbesondere für weibliche MRV die Sicherheit erhöht und ihre Sichtbarkeit gestärkt werden. 2022 fanden bereits Trainings statt zu den Themen digitale Sicherheit, rechtliche Unterstützung und psychosoziales Wohlbefinden sowie regelmäßige Austauschtreffen.
Das Vorgängerprojekt NepalMonitor wurde 2022 erfolgreich an unsere Partnerorganisation COCAP übergeben, die dieses nun eigenständig fortführt. Die Daten zur Dokumentation von Gewaltvorfällen werden auch weiterhin für die Advocacy-Arbeit der MRV genutzt.
2022 wurde in Kenia gewählt: Im August ist William Ruto, der bisherige Vizepräsident, als Sieger bekannt gegeben worden. Im Gegensatz zu vorherigen Wahlen, die oftmals mit Gewalt einhergegangen sind, verlief diese Präsidentschaftswahl weitgehend friedlich.
Zivilgesellschaftliche Organisationen erlebten in Kenia ein starkes Wachstum und sind zur Basis der Menschenrechtsbewegung geworden. Hier setzt die Arbeit von pbi unterstützend an: Anfang des Jahres führte pbi Kenia gemeinsam mit MRV die Wandmalerei im öffentlichen Raum von Nairobi fort, um Anwohner:innen u.a. für häusliche Gewalt und Gesundheitsprävention zu sensibilisieren.
Zum Tag der Menschenrechte initiierte pbi Kenia mit der Organisation »Missing Voices« das Konzert »Our voices are irresistible«. Gemeinsam mit MRV eines Social Justice Centers veröffentlichte pbi Kenia ein Fotobuch, das den Aktivismus der MRV darstellt und aufzeigt wie Konflikte gewaltfrei gelöst werden können. Mit pbi Deutschland realisierte pbi Kenia zudem gemeinsam eine Folge im Rahmen des Podcasts „Making Space for Dialogue“ zum Thema »Feminismus in Kenia«.
Im Jahr 2022 konnte das pbi-Bildungsprojekt endlich wieder so viele Veranstaltungen durchführen wie vor der Corona-Pandemie. Darunter waren altbewährte Workshops an Schulen und Kitas sowie neue Formate.
Im Ferienprogramm »Frieden lernen« kooperierte das pbi-Puppentheater mit dem Spielmobil »Falkenflitzer«. Dabei lernten Kinder wie sie Konflikte gewaltfrei für ein friedliches Miteinander lösen können. Zudem realisierte das pbi-Bildungsprojekt zusammen mit Ehrenamtlichen eine Podcast-Reihe, die sowohl online zu hören wie auch als Wanderausstellung zu erleben ist. MRV berichten darin von ihrem Aktivismus und ihrer Motivation für den Schutz der Menschenrechte. Im Sommer hat das pbi-Bildungsprojekt das »Globale OpenAir Kino« im Inselpark Wilhelmsburg durchgeführt. An fünf Abenden wurden rund um das Thema »Globale Gesundheit« Kurzvorträge und Filme dargeboten.
2023 geht das pbi-Bildungsprojekt eine wundervolle Kooperation ein: Zu dem dokumentarischen Theaterstück »Die Klima-Monologe« wird ein Bildungsprogramm entwickelt. Gemeinsam mit dem Theater soll es im Rahmen von Projekttagen an Schulen durchgeführt werden. Auf dieses Projekt freut sich das pbi-Bildungsprojekt sehr.
Advocacy
Im Jahr 2022 empfingen wir Begleitete aus Kolumbien, Mexiko, Honduras und Nicaragua. Die Umweltverteidiger:innen Marcelina Barranco (Mexiko) und Reynaldo Domínguez (Honduras) berichteten während ihrer Besuchsreisen durch Europa von den Auswirkungen auf Umwelt und Betroffene durch Unternehmensaktivitäten. Im Hinblick auf das derzeit diskutierte EU-Lieferkettengesetz strebt die Adocacyarbeit an, dass Umwelt- bzw. Menschenrechtsverteidiger:innen in Verhandlungen gehört und mit einbezogen werden.
Finanzen
Der Jahresabschluss 2022 steht noch aus, momentan ist jedoch absehbar, dass rund 2,35 Mio. € Fördermittel und Spenden eingeworben wurden. Davon wurden 1,74 Mio. € an die pbi-Projekte im Ausland weitergeleitet. Wie im vergangenen Jahr zeichnen sich für Aktivitäten in Deutschland, inklusive des pbi-Bildungsprojekts, Ausgaben in Höhe von rund 579.000 € ab. Die endgültigen Zahlen können Sie dem Jahresbericht auf unserer Website entnehmen, sobald diese geprüft sind.
Spenden per Überweisung – unser Spendenkonto
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