Der Themenkomplex „Wirtschaft und Menschenrechte“ nimmt zurzeit einen zentralen Platz in der auf internationaler Ebene und auch in der Bundesrepublik geführten Menschenrechtsdebatte ein. Denn längst ist erwiesen, dass die Durchführung von Bergbau-, Infrastruktur-, Energiegewinnungs- und anderer Wirtschaftsprojekte in vielen Fällen zu Zerstörung von Umwelt und Lebensraum sowie der Vertreibung der ansässigen Bevölkerung führt, womit grundlegende Menschenrechte verletzt werden. pbi begleitet in vielen Projektländern Gemeinschaften, die für den Erhalt ihres Lebensraums kämpfen, sowie auch Menschenrechtsverteidiger:innen, die sich für die Rechte dieser Betroffenen einsetzen, da sie aufgrund ihres Engagements die Interessen mächtiger Akteure in Staat und Gesellschaft in Frage stellen und deshalb Drohungen, Repressalien und direkter Gewalt ausgesetzt sind.
Exemplarisch werden im Folgenden einige von pbi begleitete Menschenrechtsverteidiger:innen und ihre Organisationen zu dem Arbeitsschwerpunkt „Wirtschaft und Menschenrechte“ vorgestellt:
Das Komitee für integrale Menschenrechtsverteidigung Gobixha A.C., Código-DH (Mexiko)
Alba Cruz ist Menschenrechtsanwältin und juristische Koordinatorin von Codigo-DH im Bundesstaat Oaxaca, einem der ärmsten und am wenigsten entwickelten Bundesstaaten Mexikos mit einer großen, stark marginalisierten indigenen Bevölkerung. pbi begleitet Alba Cruz und ihre Kolleg:innen seit 2009.
Código-DH arbeitet zu verschiedenen Themen. Unter anderem unterstützen die Mitarbeiter:innen Gemeinden, die sich im Isthmus von Tehuantepec für ihr Recht auf freie, vorherige und informierte Konsultation vor dem Bau von Windkraftparks in der Region einsetzen. Lokale Menschenrechtsverteidiger:innen der Gemeinden San Dionisio del Mar und Juchitán de Zaragoza sind aufgrund ihres Widerstandes gegen die weitläufigen Windkraftprojekte wiederholt zu Opfern von Bedrohungen, Verfolgungen und Übergriffen geworden. Código-DH bietet ihnen Rechtshilfebeistand und fordert von der mexikanischen Regierung, die Sicherheit der Aktivist:innen zu gewährleisten. Wegen ihres Einsatzes für die Gemeinden des Isthmus kam es auch zu Bedrohungen gegenüber Código-DH. pbi begleitet Código-DH regelmäßig bei Besuchen der Gemeinden und beobachtet mit großer Besorgnis die verschlechterte Sicherheitssituation der Menschenrechtsverteidiger:innen.
Gemeinderat von Cunén im Department El Quiché (Guatemala)
Pedro Sicá lebt in einem Dorf in der Gemeinde Cunén, im nordwestlichen Departement Quiché, und wehrt sich dort mit dem Rat der Gemeinschaften von Cunén gegen große Wirtschaftsprojekte. Der Gemeinderat setzt sich in erster Linie für die Erhaltung der Natur und damit für die Sicherung der Lebensgrundlage der Bevölkerung ein. Er spricht sich deshalb gegen Wasserkraftwerke, Bergbau- und andere wirtschaftliche Großprojekte aus. Cunén ist ein „Municipio“ (entspricht einem Landkreis in Deutschland), das 72 Gemeinden umfasst und in dem etwa 33.000 Einwohner:innen leben. In ganz Guatemala ist die Lebensgrundlage der Bevölkerung durch die Ausbeutung natürlicher Ressourcen gefährdet. Daher konzentriert sich die Arbeit des Gemeinderates nicht ausschließlich auf seine Region. Er unterstützt auch Volksabstimmungen in den Municipios „Uspantán“ und „Santa Cruz del Quiché“. Dabei werden die Bewohner:innen über die Präsenz von Bergbauunternehmen und über die negativen Effekte informiert, die diese Projekte auf die Umwelt und die Einwohner:innen haben. Seit März 2010 begleitet pbi die Mitglieder des Gemeinderates von Cunén im Department El Quiché.
>> Interview mit Pedro Sicá (Spanisch)
Verein für soziale Forschung und Aktion, NOMADESC (Kolumbien)
Seit der Gründung von NOMADESC im Jahre 1999 wird Berenice Celeyta, Menschenrechtsaktivistin und Vorsitzende der Organisation, von pbi begleitet. NOMADESC hat seinen Sitz in Cali, der Hauptstadt des Departamentos Valle del Cauca im Westen Kolumbiens. Der Verein begleitet soziale, gewerkschaftliche, zivile, indigene und Bauernorganisationen bei ihrer Arbeit und berät sie unter anderem in juristischen Fragen. Eine dieser Organisationen ist das Comité del Paro Cívico de Buenaventura, das Komitee des Generalstreiks von Buenaventura, welches 2017 mit einem Streik den wichtigsten Hafen an der kolumbianischen Pazifikküste für 22 Tage lahm legte. Ihre Forderungen waren Investitionen in die Wasser- und die Gesundheitsversorgung sowie in Bildung. Trotz der Bedeutung des Hafens von Buenaventura lebt die Mehrheit der Bewohner der Stadt in Armut. Zudem ist die Stadt von Gewalt geprägt und Menschen, die beispielsweise um ihre Grundstücke kämpfen, die in Erweiterungsgebieten des Hafens liegen, werden bedroht, vertrieben oder ermordet. Nach 22 Tagen des Streikes wurde ein Abkommen mit der kolumbianischen Regierung beschlossen, dass unter anderem Investitionen in Schulen, Universitäten, Krankenhäusern, Wasserleitungen garantiert. Seitdem wird um die Umsetzung des Abkommens gerungen.
pbi setzt sich auch in Deutschland für die Wahrung der Menschenrechte von staatlicher sowie unternehmerischer Seite ein.
Die Bundesregierung arbeitet zurzeit unter Einbezug der organisierten Zivilgesellschaft einen Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der sog. UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte aus, welche staatliche Schutzpflichten, den Respekt der Menschenrechte durch Unternehmen sowie auch Zugang zu Abhilfe für Geschädigte regeln sollen. Der Aktionsplan soll im Juni 2016 verabschiedet werden. pbi unterstützt zusammen mit dreißig weiteren bundesdeutschen Nichtregierungsorganisationen das Positionspapier „Wirtschaft und Menschenrechte“ (April 2015) und hat der bundesdeutschen Politik auch spezifische Empfehlungen zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger:innen unterbreitet. Zum besseren Verständnis der UN-Leitprinzipien haben das bundesdeutsche Forum Menschenrechte und das CorA-Netzwerk eine Reihe von Factsheets erstellt, die unter www.cora-netz.de/cora/steckbriefe eingesehen werden können.