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Zwischen Fortschritt und Lebensgefahr – LGBTQIA+-Gemeinschaften in Deutschland und Honduras

03.07.2025 – Jedes Jahr zwischen Juni und August erinnert die LGBTQIA+-Community weltweit mit Veranstaltungen wie dem Christopher Street Day und dem Pride Month an die Polizeigewalt von 1969 in New York – den Beginn der modernen queeren Bürger:innenrechtsbewegung. Diese Monate stehen im Zeichen des Gedenkens an all jene, die im Kampf für Gleichberechtigung ihr Leben verloren haben und mahnen zugleich angesichts fortdauernder Diskriminierung, Gewalt und staatlicher Repression. Zugleich sind sie auch Feste der Vielfalt, Identität und Sichtbarkeit. Sie bleiben unverzichtbar – als Symbol für Solidarität, Empowerment und Widerstand. Der aktuelle Bericht des Honduranischen Komitees für sexuelle Vielfalt und PBI Honduras verdeutlicht, unter welchen Gefahren die Betroffenen leiden. 

Während queere Menschen in Deutschland für Gleichstellung kämpfen, ist ihr Kampf in Honduras oft ein Kampf ums Überleben. Zwischen 2009 und 2024 wurden dort über 400 gewaltsame Todesfälle von LGBTQIA+-Personen registriert – die meisten dieser Morde blieben straffrei. Besonders trans* Personen sind von extremer Gewalt betroffen. So auch Vicky Hernández, eine 26-jährige trans* Frau und Menschenrechtsverteidigerin, die während der Ausgangssperre nach dem Staatsstreich 2009 auf offener Straße erschossen wurde. 2021 sprach der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte dem Staat Honduras die Verantwortung für ihren Tod zu und forderte weitreichende Maßnahmen – darunter ein Gesetz, das trans* Menschen erlaubt, ihren Namen und Personenstand entsprechend ihrer Geschlechtsidentität anzupassen. Bereits 2020 gab der UN-Menschenrechtsrat im Rahmen des Überprüfungsverfahrens zur Menschenrechtslage (Universal Periodic Review, UPR) über 200 Empfehlungen zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Honduras ab, 15 Maßnahmen waren speziell für den Schutz der LGBTQIA+-Community.

Neue Überprüfung der Menschenrechtslage 

Anlässlich der erneuten Überprüfung, die Ende 2025 stattfindet, veröffentlichte das Honduranische Komitee für sexuelle Vielfalt (CDSH), ein Netzwerk unterschiedlicher LGBTQIA+-Organisationen, zusammen mit PBI Honduras einen Bericht, der die weiterhin extreme Gefährdung der betroffenen Menschen aufzeigt. CDSH und PBI stellen darin mit Besorgnis fest, dass Honduras in den vergangenen fünf Jahren keine der 15 LGBTQIA+-Empfehlungen umgesetzt hat. Umso wichtiger sei es, dass die UN-Mitgliedstaaten den Druck aufrechterhalten und für 2025 noch konkretere Maßnahmen fordern, damit der Staat endlich Fortschritte beim Schutz der Menschenrechte von LGBTQIA+-Personen erzielt. 

„Die Gesellschaft nimmt oft fälschlicherweise an, wir wollten Gesetze durchsetzen, die wie Sonderrechte wirken“, erklärt Grecia O’Hara vom Zentrum für LGBTI-Entwicklung und Zusammenarbeit Somos CDC. „Dabei fordern wir nur die gleichen Rechte, die heterosexuellen, cisgender Menschen längst zustehen: den eigenen Namen ändern, eine Ehe eingehen und Kinder adoptieren zu dürfen.“ Der Bericht „Wir verlangen keine Sonderrechte“ gibt die Lage bezüglich des Eherechts, des Gesetzes zur Geschlechtsidentität sowie Bildung, Gesundheit und Beschäftigung wieder und gibt Empfehlungen in den Bereichen Gleichstellung und Nichtdiskriminierung, Zugang zur Justiz und allgemeiner Schutz der LGBTQIA+-Community. 

Deutschland: Sichtbarkeit bringt Verletzbarkeit 

Deutschland gilt international als vergleichsweise sicherer Ort für die LGBTQIA+-Community. Mit der Ehe für alle, dem Selbstbestimmungsgesetz (seit 2024) und zunehmender Sichtbarkeit in Politik und Medien wurden wichtige Schritte in Richtung Gleichstellung erreicht. Doch die Realität bleibt alarmierend: 2024 registrierte das Bundeskriminalamt 1.765 Straftaten gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung (+18 %) sowie 1.152 Delikte im Zusammenhang mit geschlechtsbezogener Diversität (+35 %). Diese Zahlen zeigen: Mehr Sichtbarkeit bedeutet auch mehr Angriffsfläche. Hass äußert sich online, im öffentlichen Raum und selbst im direkten Umfeld. Die Normalisierung rechter Ideologien und Anti-Gender-Rhetorik verschärft diese Gefahr zusätzlich. 

Der Pride Month als globaler Weckruf 

Der Christopher Street Day, wie auch der Pride Month, ist daher weit mehr als eine Feier. Er ist ein Weckruf, der uns daran erinnert, dass Menschenrechte unteilbar sind und Sichtbarkeit Mut erfordert. Gleichzeitig zeigt er, dass Solidarität – über Ländergrenzen hinweg – Leben retten kann. Organisationen wie Somos CDC und Arcoíris, die von PBI in Honduras begleitet werden, kämpfen unter gefährlichsten Bedingungen weiter für Sichtbarkeit, Sicherheit und rechtliche Anerkennung. PBI steht in Deutschland, Honduras und vielen weiteren Ländern an der Seite von LGBTQIA+-Aktivist:innen. Die kommenden Monate sind deshalb Mahnung und Versprechen zugleich: Für eine Welt, in der niemand Angst haben muss, wegen der eigenen Identität verfolgt, diskriminiert oder getötet zu werden. 

Anmerkungen: Trans* bezeichnet Menschen, denen bei Geburt ein biologisches Geschlecht zugewiesen wurde, das nicht ihrer Identität entspricht. Das Sternchen am Ende des Adjektivs „trans*“ soll Raum für verschiedene Geschlechtsidentitäten schaffen. Antidiskriminierungsstelle - trans* 

Cisgender bedeutet, dass sich Menschen ihrem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht zugehörig fühlen.

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