04.09.2020 – Gemäß der Iniciativa Mesoamericana de Mujeres Defensoras de Derechos Humanos (deutsch: Mesoamerikanische Initiative der Menschenrechtsverteidigerinnen) waren Frauen und insbesondere Menschenrechtsverteidigerinnen in der Region bereits vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie Gewalt ausgesetzt. Die von den Regierungen eingeführten Maßnahmen zur Eindämmung der Verbreitung des Virus haben die strukturellen Probleme verschärft, die vor allem mit der Prekarität des Gesundheitssystems sowie der Ineffizienz des Verwaltungsapparates und der Rechtsverfolgung zusammenhängen. Dies verfestigt das Klima der Straflosigkeit von Menschenrechtsverletzungen, so Yésica Sánchez Maya von der Organisation Consorcio Oaxaca, welche von pbi Mexiko begleitet wird.
Frauen leiden nicht nur unter dem beruflichen Ausschluss und der stätigen Ausweitung ihrer Arbeitszeiten, sondern auch unter der Verschlimmerung von verschiedenen Formen von Gewalt, die nicht ausreichend von den Behörden und der mexikanischen Gesellschaft beachtet werden. In diese Richtung haben die Menschenrechtsorganisationen ihre Sorge über die Anzweifelung des Präsidenten der Ausmaße der Gewalt gegen Frauen geäußert. Dieser hatte im Mai während einer Pressekonferenz behauptet, dass „90% der registrierten Anrufe wegen Gewalt gegen Frauen falsch sind“. Am 23. April erließ der Präsident ein Dekret, das einige Sparmaßnahmen festsetzt, an die sich Abteilungen und Einrichtungen der bundesstaatlichen öffentlichen Verwaltung halten müssen, darunter unter anderem, die Herabsetzung der Dienstbezüge von hohen Verwaltungsangestellten und die Nichtvollziehung von 75% des für die Posten der allgemeinen Dienstleistungen, Materialien und Versorgung verfügbaren Budgets. Infolgedessen prangerte Amnesty International Mexiko an, dass am 15. Juli, einen Tag nachdem der Präsident versicherte, dass „es keine Kürzungen des Budgets gibt [und dass] die mexikanischen Frauen nie mehr als jetzt geschützt wurden“ und am nächsten Tag die Entscheidung verkündet wurde, das Budget für das „Instituto Nacional de las Mujeres“ (Inmujeres, deutsch: Internationales Fraueninstitut) um 151 Millionen Mexikanische Pesos zu kürzen und so das Bundesgesetz zum Budget und der Zuständigkeit der Finanzverwaltung und der Befugnisse der Abgeordnetenkammer zu übergehen. Dazu versichert die Direktorin von Inmujeres, Nadine Gasman, dass die Kürzung „nicht nur ein Schlag für das Budget von Inmujeres ist, [sondern] eine Budgetkürzung der gesamten bundesstaatlichen öffentlichen Verwaltung, [… und außerdem], die Fragen im Zusammenhang mit der Beantwortung der Gewalt gegen Frauen nicht berührt wurden, [denn] von Anfang an wurden sie als essentieller Dienst definiert und nicht gestoppt“.
María de la Luz Estrada vom Observatorio Ciudadano Nacional de Feminicidio (deutsch: Nationales Femizid-Bürgerobservatorium) merkt an, dass die Frauen heftige Mobilisationsprozesse auf der Straße aufzeigen, die dazu dienen vom Staat überzeugende Antworten gegen die Ungleichheit zu verlangen. Gleichwohl sind die Zahlen der „Femizid-Gewalt“, ein Begriff den Estrada benutzt, um den Kontext der schweren Verletzungen der Frauenrechte zu beschreiben, drastisch angestiegen und die Pandemie hat „die Behörden lahmgelegt“, welche ihre Maßnahmen zur Betreuung von Opfern unterbrochen haben. Obwohl die Bundesregierung den unverzichtbaren Charakter der Rechtsverfolgung und Justizverwaltung erklärt hat, haben die Staatsanwaltschaften einiger Bundestaaten ihre Tätigkeit eingestellt und einige haben Vertretungen mit wenig qualifiziertem Personal eingerichtet, um sich lediglich um die dringenden Fälle zu kümmern, weswegen viele laufenden Prozesse unterbrochen wurden und die Opfer und deren Angehörige die Möglichkeit des Zugangs zur Justiz als verschoben ansehen.
Im Hinblick auf die Menschenrechtsverteidigerinnen zeigte María de la Luz Estrada, dass die Organisationen, die im Nationalen Netz der Menschenrechtsverteidigerinnen in Mexiko („Red Nacional de Defensoras de Derechos Humanos en México“) zusammenkommen, die Annahme von Protokollen der Selbstfürsorge vorantreiben, um weiterzuarbeiten und nicht zu erstarren, aber „das geschieht nicht in allen Netzwerken, [denn] unglücklicherweise haben nicht alle Verteidigerinnen Anforderungen und [viele] Mitstreiterinnen […stehen vor] einer prekären Situation“ aufgrund der Minderung ihres Einkommens und der Krankheit von Familienangehörigen. Zudem kämpfen sie mit dem Mangel an Sicherheit, um mit ihrer Arbeit fortfahren zu können.
Gemäß des Registers des Mechanismus für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen und Journalist_innen des Untersekretariats für Menschenrechte, Bevölkerung und Migration gab es zwischen Januar und Mai 2020 250 Aggressionen gegen Menschenrechtsverteidiger_innen und Journalisten_innen, von denen 52 gegen Verteidigerinnen und 34 gegen Journalistinnen gerichtet warten. Laut Yésica Sánchez Maya, wurden zwischen Januar und Juni 2020 266 Menschenrechtsverteidigerinnen angegriffen, wobei die Hauptformen die Verunglimpfung, die Kriminalisierung und die Tötung sind. Das Mitglied von Consorcio Oaxaca gibt zu bedenken, dass „wir zurück zu den anfänglichen Kämpfen für die Menschenrechte gehen, unsere Bürgerrechte und politischen Rechte, dies waren Kämpfe, von denen wir dachten, dass sie gewonnen waren, aber dieser Rückschritt der Bundesstaaten verlagert uns wieder an die Herausforderungen unserer thematischen Agenda, unserer Agenda gegenüber der internationalen Gemeinschaft aber auch in diese Verstrickung von regionalen Mustern, die registriert wuden“.
pbi Mexiko erkennt die aufgrund der Pandemie widrigen, verschärften Umstände an, denen sich die Frauen und Organisationen gegenübersehen, die die Frauenrechte in Mexiko verteidigen, und ruft die lokalen, staatlichen und bundesstaatlichen Behörden und die internationale Gemeinschaft auf, die nötigen Mechanismen zu aktivieren, um auf die schwierige Situation zu reagieren, welche die Frauen im Land erleben, und deren Leben, Wohl, und die Fortführung der Arbeit der Menschenrechtsverteidigerinnen zu garantieren.
Text: pbi Mexiko; Übersetzung: Ina Wailand