Im August 2020 wurde der ehemalige kolumbianische Präsident Álvaro Uribe Vélez mit dem Vorwurf von Prozessbetrug und Zeugenbestechung vom Obersten Gericht unter Hausarrest gestellt. Im Gespräch mit pbi Kolumbien berichtet der von pbi begleitete Anwalt Reynaldo Villalba davon, wie es zu diesem Prozess kam, von dem Druck und den Drohungen, welchen das Oberste Gericht ausgesetzt ist und davon, was dieser Prozess für das Justizsystems Kolumbiens bedeutet.
Darauf reagierten Uribes Unterstützer_innen mit Diskreditierungsversuchen gegen das Oberste Gericht. Uribe wurde als Opfer dargestellt, es wurde behauptet, er werde politische verfolgt und das Oberste Gericht wurde als parteiisch und nutzlos bezeichnet. Uribe selbst behauptete, mittels eines Mafiaverfahrens vom Obersten Gericht gefangen gehalten zu werden.
„Es war schon immer typisch für Senator Uribe Vélez, Anwält_innen und Richter_innen, die gegen ihn oder ihm nahe stehende Personen ermitteln, anzugreifen.“ - Reynaldo Villalba
Übergabe an die Generalstaatsanwaltschaft
Am 1. September 2020 bestätigte das Oberste Gericht, die für die juristische Untersuchung von Kongressmitgliedern zuständig ist, dass der Fall Uribe an die kolumbianische Generalstaatsanwaltschaft übergeben wurde. Die Begründung war, dass Uribe seinen Sitz im Kongress aufgegeben hatte.
Villalba zeigt sich besorgt, weil der Generalstaatsanwalt ein enger Freund des aktuellen Präsidenten Iván Duque ist. Außerdem wird dem mit dem Fall beauftragten Anwalt Gabriel Jaimes Durán vorgeworfen, in vorherigen Fällen Parapolitiker und korrupte Personen begünstigt und Ermittlungen gebremst zu haben. Villalba befürchtet, dass die Objektivität und Unabhängigkeit in diesem Prozess ab sofort nicht mehr gegeben sein wird.
“Was wir hier beobachten ist ein dauerhafter Angriff auf das Justizsystem.“ - Reynaldo Villalba
Bei der Generalstaatsanwaltschaft wird der Fall nun unter anderen Gesetzen bearbeitet, was bedeutet, dass die Opfer weniger zur Sprache kommen und die Beweise des Obersten Gerichts ihre Gültigkeit verlieren. Außerdem hat die Richterin das Gesuch der Verteidigung, den Hausarrest des Ex-Präsidenten aufzuheben, angenommen. Dies suggeriert, dass in Zukunft Personen, die vom Obersten Gericht angeklagt sind, lediglich ihren Sitz im Kongress aufgeben müssen, um sich den Untersuchungen und Prozessen zu entziehen. Dadurch verliert das Oberste Gericht an Effizienz und Standfestigkeit, wie sich im Fall Uribe bereits zeigte.
„In meinen Augen ist der wichtigste Grund der Straflosigkeit schlimmer Verbrechen in Kolumbien die Abwesenheit politischen Willens, die Verbrechen verantwortungsbewusst und ernsthaft zu untersuchen“, bedauert Villalba.
Weitere Verfahren gegen den Ex-Präsidenten anhängig
Gegen den Ex-Präsidenten Álvaro Uribe Vélez stehen noch weitere Verfahren im Obersten Gericht offen, einige davon haben mit Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu tun wie beispielsweise das Massaker von Aro oder der Mord am Menschenrechtsverteidiger Jesús María Valle.
Zahlreiche dieser Untersuchungen werden der Generalstaatsanwaltschaft übergeben. Außerdem gibt es noch einige offene Verfahren gegen den Ex-Präsidenten bei der Anklagekommission (Comisión de Acusaciones), die Villalba als „Höhle der Straflosigkeit“ bezeichnet. Bei diesen Verfahren handelt es sich um Taten, die Uribe während seiner Amtszeit als Präsident der Republik begangen haben soll.
pbi wird die Prozesse gegen Uribe mit Reynaldo Villalba, der für die von pbi begleiteten Corporación Colectivo de Abogados José Alvear Restrepo (Ccajar) arbeitet, weiter verfolgen.
Text: pbi Schweiz
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Vollständiger Artikel zum Gespräch mit Villalba auf Spanisch (pbi Kolumbien)