18.04.2025 – In der Küstengemeinde Kilifi in Kenia führt Ruweda Mohamed eine stille, aber kraftvolle Revolution an. Als Geschäftsführerin der Desire Youth Initiative ist sie zu einer führenden Stimme im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt geworden. Aufgewachsen in einer Region, in der weibliche Genitalverstümmelung (FGM) lange Zeit nicht nur toleriert, sondern regelrecht gefeiert wurde, war ihr Weg von der stillen Beobachterin zur lautstarken Aktivistin geprägt von enormer Widerstandskraft und unbeirrbarem Mut.

„Ich setze mich für ein Ende der Gewalt gegen Frauen und Mädchen in Kilifi ein – und für das Recht auf sexuelle und reproduktive Gesundheit“, sagt Ruweda. Sie steht an vorderster Front im Kampf gegen Femizide in Kenia. Durch ihre Arbeit schafft sie Bewusstsein in den Gemeinden, vermittelt Wissen über Anlaufstellen für Missbrauchsfälle und erklärt, wie Betroffene Gerechtigkeit erlangen können – ein entscheidender Schritt in einer Welt, in der patriarchale Normen die Opfer häufig zum Schweigen bringen.
Großer Mut und das Vertrauen der Gemeinschaft
In Teilen Kilifis gilt FGM noch immer als Übergangsritus, um die „Reinheit“ von Mädchen zu bewahren. „In unserer Kultur wird man als schmutzig angesehen, wenn man nicht durchs Messer gegangen ist“, erklärt Ruweda. Sie kämpft dagegen, indem sie Frauen über die Gefahren aufklärt – oft mit bewegenden Geschichten wie jener ihrer Cousine, die bei der Geburt ihres Kindes beinahe gestorben wäre. „Ich komme aus dieser Gemeinschaft. Sie vertrauen mir, weil ich selbst erlebt habe, welche Folgen diese Praxis hat“, sagt sie.
Ihre Strategie kombiniert Aufklärung mit rechtlichem Druck – ein Ansatz, den sie selbst als „Zuckerbrot und Peitsche“ beschreibt. Und der wirkt: Immer mehr Menschen beginnen umzudenken. Doch dieser Mut hat seinen Preis. Ruweda erhält Drohungen, wird ausgegrenzt – selbst ihre eigene Familie versuchte, sie zu stoppen. „Von einer muslimischen Frau, insbesondere einer unverheirateten, wird nicht erwartet, dass sie Traditionen infrage stellt“, sagt sie. Doch dank einer Sicherheitsschulung von Peace Brigades International (PBI) macht sie weiter – zuletzt bei Protesten gegen einen lokalen Femizidfall. „Als dieser Mord bekannt wurde, wusste ich: Wir müssen handeln“, erinnert sie sich.
Im Widerstand gegen patriarchale Strukturen
Ruwedas Einsatz geht weit über Femizide und FGM hinaus. Sie setzt sich auch gegen Transaktionssex*, sexuelle Gewalt und systemische Hürden im Justizwesen ein. Ein Fall, der sie besonders geprägt hat: Ein 13-jähriges Mädchen wurde von ihrem Onkel missbraucht, während die Mutter im Ausland arbeitete. „Viele Gemeindevorsteher regeln solche Dinge oft im Verborgenen – aber ich fordere Rechenschaft“, sagt sie. Als die Regierung plante, Menstruationsprodukte zu besteuern, mobilisierte sie Widerstand – mit dem Argument, dass dies die Gesundheit und Würde von Mädchen massiv gefährdet hätte.
Die Begleitung durch PBI gibt Mut
Ihr Weg war nicht leicht. Zu Beginn hielt sie sich aus Angst vor Repressalien zurück. Doch die Arbeit mit dem Netzwerk, das um PBI entstand, gab ihr Mut, weiterzumachen: „Die Begegnung mit anderen muslimischen Menschenrechtsverteidigerinnen zeigte mir: Ich bin nicht allein.“ Heute sind ihre Aufklärungsvorträge auch in Moscheen willkommen, und sie erhält zunehmend Rückhalt von Gemeindeleitern. „Frauen in politischen Ämtern sind hier eine Seltenheit – die meisten Sitze gehen an Männer“, sagt sie. Doch ihre Hartnäckigkeit beginnt, das zu verändern.
In einer Gesellschaft, die Frauen und Mädchen oft zum Schweigen bringt, erhebt Ruweda Mohamed ihre Stimme – und bleibt standhaft. Mit Bildung, juristischen Mitteln und unerschütterlicher Entschlossenheit kämpft sie gegen Genitalverstümmelung, Femizid und andere Formen der Gewalt. Sie ebnet den Weg für eine neue Generation von Frauen und Mädchen in Kilifi, die ihre Rechte kennt – und einfordert.
*Transaktionssex bezeichnet sexuelle Handlungen, die im Austausch gegen materielle oder finanzielle Gegenleistungen erfolgen – etwa Geld, Lebensmittel, Kleidung, Schulgebühren oder Unterkunft. Es ist keine formelle Prostitution, sondern oft eine informelle, stillschweigende Übereinkunft, die besonders in prekären Lebenslagen oder Machtungleichgewichten vorkommt.
Text: PBI Kenya
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