17.04.2025 – Am 19. März 2025 jährte sich das gewaltsame Verschwinden von José Gabriel Pelayo Zalgado zum ersten Mal. Der engagierte Menschenrechtsverteidiger war aktives Mitglied des Solidarischen Netzwerks für Menschenrechte in Michoacán, Mexiko. Ein Jahr nach seinem Verschwinden haben die mexikanischen Behörden noch immer keine klaren Antworten geliefert – weder zum Verbleib José Gabriels noch zu den Umständen seines Verschwindens. Der Fall steht exemplarisch für das Ausmaß struktureller Gewalt und Straflosigkeit, unter der Menschenrechtsverteidiger:innen in Mexiko leiden. Peace Brigades International (PBI) begleitet Menschen wie José, die sich innerhalb des Netzwerks organisieren.
Ein Leben für die Rechte seiner Gemeinschaft
José Gabriel war Vater von drei Kindern, Lehrer, Ehemann, Bruder und Freund – und ein entschlossener Verteidiger der Umwelt und kollektiver Rechte der Indigenen Nahua-Gemeinschaft in der Sierra-Costa-Region von Michoacán. Er setzte sich für politische Teilhabe auf lokaler Ebene ein und war Mitbegründer des Bürgerrats von Chinicuila. Dort organisierte er Bürgerversammlungen, moderierte Konfliktlösungen, führte Umfragen durch und unterstützte Gemeinden bei der Ressourcenbeschaffung.
An der Schule, an der er unterrichtete, initiierte er die Kampagne „Adoptiere einen Baum und rette deinen Planeten“. Er sprach mit Schüler:innen offen über die Gewalt und die Präsenz organisierter bewaffneter Gruppen. Sein Ziel war, eine Kultur des Friedens und der Resilienz zu fördern. Er organisierte Workshops zu Recycling, Papierherstellung sowie Piñata-Basteln aus recycelten Materialien und veranstaltete generationsübergreifende Austausche zur traditionellen Nahua-Medizin.
José Gabriel arbeitete eng mit anderen Aktivist:innen wie Eustacio Alcalá Díaz zusammen – einem weiteren Menschenrechtsverteidiger aus Michoacán, der im April 2023 nur drei Tage nach seinem Verschwinden tot aufgefunden wurde.
Repression nach dem Verschwinden
Vor einem Jahr verschwand José Gabriel, als er in der Gemeinde Coalcomán Lebensmittel einkaufte. Bis heute fehlt jede Spur von ihm. In den Tagen nach seinem Verschwinden belagerten bewaffnete Gruppen seine Heimatgemeinde sowie umliegende Dörfer. Die Bevölkerung war wie gelähmt – viele Menschen sahen sich gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Die Gewalt war so einschüchternd, dass mehrere Erzieher:innen aus Angst vor Repressalien über Monate hinweg ihre Arbeit niederlegten.
Der Fall José Gabriels steht exemplarisch für unzählige Fälle des gewaltsamen Verschwindenlassens – häufig im Zusammenhang mit Landraub, illegaler Ressourcenausbeutung und organisiertem Verbrechen. In Regionen wie Chinicuila und Coalcomán herrscht ein Klima der Angst und des Schweigens. Viele Betroffene äußern sich aus Furcht vor Konsequenzen nicht öffentlich – nicht zuletzt wegen der Verflechtung staatlicher Akteure mit kriminellen Netzwerken.
Straflosigkeit und anhaltende Gefahr
Für das Solidarische Netzwerk für Menschenrechte in Michoacán und die Familie José Gabriels ist klar: Sein Verschwindenlassen war eine direkte Folge seines Engagements als Menschenrechts- und Umweltaktivist. Menschenrechtsverteidiger:innen wie er geraten in strategisch relevanten Gebieten des Drogen- und Rohstoffhandels zunehmend ins Visier systematischer Gewalt.
Seit seinem Verschwinden hat sich die Lage vor Ort weiter verschärft. Im Januar 2025 griffen bewaffnete Gruppen mehrere Gemeinden mit Schusswaffen und Sprengstoff-Drohnen an. Dies führte erneut zur Vertreibung und Bedrohung von Gemeinschaften, die ihr Land und Territorium verteidigen. Auch die Familie von José Gabriel lebt seither in permanenter Gefahr – eine Bedrohung, die ihr grundlegendes Recht auf Wahrheit, Gerechtigkeit und aktive Suche nach dem Verschwundenen massiv einschränkt.
Dringender internationaler Appell
PBI Deutschland äußert tiefe Besorgnis über das gewaltsame Verschwinden von José Gabriel Pelayo Zalgado. Wir fordern eine umfassende, unabhängige und unparteiische Untersuchung mit dem klaren Ziel, seinen Verbleib aufzuklären. Es ist unabdingbar, dass seine Familie aktiv in die Ermittlungen sowie die Suche eingebunden wird – und dabei Schutz erhält, sowohl physisch als auch psychisch.
Die alarmierende Menschenrechtslage im Bundesstaat Michoacán erfordert internationale Aufmerksamkeit. Wir appellieren an Menschenrechtsinstitutionen, multilaterale Organisationen und bestehende Schutzmechanismen, diesen Fall öffentlich zu machen und gezielten Druck auf die mexikanische Regierung auszuüben.
José Gabriels Verschwinden darf nicht ein weiterer Fall bleiben, der in der Straflosigkeit endet. Sein Leben, sein Engagement und seine Würde fordern Gerechtigkeit.
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