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20 Jahre Ziviler Friedensdienst (ZFD): Frieden ist der Anfang von allem

20 Jahre Ziviler Friedensdienst (ZFD): Frieden ist der Anfang von allem

12.12.2019 – „Frieden ist der Anfang von allem. Ohne Frieden ist die Überwindung von Armut, Hunger, Not und Elend weltweit nicht möglich,“ betonte Stefan Oswald vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in seiner Begrüßungsrede zur Feier des 20-jährigen Jubiläums des ZFD. Die Jubiläumsveranstaltung fand letzte Woche in Berlin statt – und stand ganz im Zeichen der konkreten Friedensarbeit: 20 ZFD-Partner und Fachkräfte aus elf Ländern gaben lebendige Einblicke in ihr Engagement vor Ort.

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20 Jahre ZFD: Frieden ist der Anfang von allem
Stefan Oswald, Leiter der Abteilung „Marshallplan mit Afrika; Flucht und Migration“, und Alexander Mauz, Sprecher des Konsortiums Ziviler Friedensdienst, eröffneten die zweitägige Jubiläumsveranstaltung im Berliner Dienstsitz des BMZ. Oswald würdigte die Arbeit des Zivilen Friedensdienstes (ZFD) als dem „einzigartigen Gemeinschaftswerk von Kirche, Staat und Gesellschaft“, die vor allem dem Bemühen um Ausgleich in spannungsgeladenen Konflikten gewidmet sei. Gewalt verhindern, zum Dialog anstiften und Versöhnung ermöglichen, umriss er die Kernaufgaben des ZFD. Die Fachkräfte des ZFD seien Katalysatoren und die „vielen positive Beispiele kleiner lokaler Initiativen wirken sich auf das ganze Land aus.“ Ein wirksames Gegengewicht zu wachsendem Populismus, gewaltsamen Konflikten und sich verschärfenden gesellschaftlichen Spannungen ist nötiger denn je: Zwei Milliarden Menschen leben rund um den Globus in fragilen, gewaltbelasteten Verhältnissen, so sind allein in Syrien fünf Millionen Kinder auf der Flucht in einem Krieg, der seit neun Jahren tobt. Von 2010 bis 2016 hat sich die Anzahl der gewaltsamen Entwicklungen verdreifacht – all diese weltweit alarmierenden Umstände betonten an diesen beiden Tagen fast alle Rednerinnen und Redner und unterstrichen damit die Notwendigkeit konstruktiver Friedensarbeit.

„Wenn lautstark gefordert wird, dass Deutschland sich stärker für Frieden und Sicherheit einsetzen soll, entgegnen wir aus tiefer Überzeugung, dass Deutschland mehr zu bieten hat als militärische Interventionen,“ sagte Alexander Mauz in seiner Begrüßungsrede. „Mit dem ZFD steht ein Programm zur zivilen Konfliktbearbeitung und Krisenprävention bereit, das sich seit 1999 in über 600 Projekten bewährt hat.“ Rund 1.400 ZFD-Fachkräfte haben sich seither in knapp 60 Ländern mit lokalen Partnerorganisationen erfolgreich für Friedensförderung und Gewaltprävention eingesetzt. Aktuell arbeiten 330 internationale ZFD-Fachkräfte in 45 Ländern. „Es ist der Blick von außen auf die Konflikte, Herzblut und langer Atem,“ fasste Mauz das Erfolgsgeheimnis des ZFD zusammen und der Applaus des Publikums war ihm sicher. Wie die Friedensarbeit in der Praxis aussieht, kennt viele beredte Beispiele: In Guinea wurde aus einer lokalen Initiative zur Gewaltprävention eine nationale Friedenskoalition. In Kolumbien konnten indigene Gruppen ihre Anliegen in den Friedensvertrag einbinden. In Kenia entstand ein neues Zentrum für Verständigung zwischen den Religionen. Rund 20 ZFD-Partner und Fachkräfte aus elf Ländern gaben beim Festakt in Berlin lebendige Eindrücke von ihrer Arbeit.

Ein Friedens-Talk bildete den Auftakt zu einer Reihe informativer Formate

Im Friedens-Talk am Nachmittag des sonnigen Dezembertages, moderiert von Melinda Crane (Politische Chef-Korrespondentin bei Deutsche Welle TV), berichtete Nelly Njoki aus Kenia von ihrem Engagement, die Position von Frauen in der kenianischen Gesellschaft zu stärken. Die Anwältin, Mediatorin und Mitgründerin des Community Education and Empowerment Centre (CEEC) erklärte, wie anders Konflikte Frauen betreffen als Männer, und erläuterte das Engagement des CEEC, mehr Frauen in politische Führungspositionen zu bringen, aber auch Frauen über Themen wie Ehe, Bildung oder Besitz zu informieren. Sie betonte, dass es oft Außenseiter brauche, um zu erkennen, was eigentlich der Konflikt sei, der vornehmlich an ethnischen und religiösen Grenzen entlang geführt werde.

Nenad Vukosavljević, Gründungsmitglied des Centre for Nonviolent Action (CNA) aus Serbien, berichtete über sein Engagement, Kriegsveteranen aus dem ehemaligen Jugoslawien zu versöhnen. Seit 1997 engagiert sich CNA auf dem westlichen Balkan in der Friedensarbeit. „Es gibt viele Gelegenheiten einzugreifen, um zu verhindern, dass ein Krieg wieder aufflackert,“ sagte er und schilderte einen gemeinsamen Gang ehemaliger Feinde durch die Gräber von Srebreniza. „Unzählige Treffen von Opfer- und Veteranenbänden waren nötig, bevor erstmals verschiedene Ex-Kombattanten zusammen mit Friedensaktivisten gemeinsam Gedenkstätten besuchen und sich einander wieder annähern konnten.“ Nenad Vukosavljević, der selbst im damaligen Jugoslawien den Kriegsdienst verweigert hat, betonte mit Blick auf den noch immer schwelenden Hass zwischen den ehemaligen Konfliktparteien: „Wir müssen die Feinde zusammenbringen. Erst die Anwesenheit des Feindes zerstört das Schwarz-Weiß-Denken von Freund und Feind. Solange das nicht klappt, besteht die Gefahr, dass es noch einmal passiert.“

Zur „Offenen Stunde“ waren Partner aus aller Welt angereist

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Jubiläum 20 Jahre ZFD
Zu weiteren Gesprächen mit Vertreterinnen und Vertretern der Partnerorganisationen des ZFD bot die „Offene Stunde“ reichlich Gelegenheit. Großer Andrang herrschte an den Stehtischen, wo die Partnerorganisationen über ihre Arbeit informierten. Dass die Lösung von Konflikten eine zivilgesellschaftliche und keine militärische Aufgabe ist, unterstrich das facettenreiche Engagement der Expertinnen und Experten aus dem Senegal, aus Bosnien-Herzegowina, Mali, Nepal und den Philippinen, die hier einzelne Initiativen vorstellten. Für ein friedliches Zusammenleben unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen sind Dialog, Versöhnung, zivile Konfliktbearbeitung und Kreativität unabdingbar; im Rahmen der Friedensarbeit kommt daher auch dem Journalismus eine große Bedeutung zu.

Am Beispiel der Philippinen wird deutlich, wie ein konfliktsensibler Journalismus helfen kann, stockende Friedensprozesse in Gang zu bringen. Eine sensationsheischende Berichterstattung verstärkt Feindbilder, vertieft Gräben, schürt Ängste und stachelt zum Hass auf. Dem setzen Mediennetzwerke wie die ZFD-Partner Kutawato Multimedia Network (KuMuNet) und Peace and Conflict Journalism Network (PECOJON) etwas entgegen: Seit 2015 bieten sie Aus- und Weiterbildungen in Friedensjournalismus an. Medienvertreterinnen und -vertreter von Presse und Rundfunk werden darin geschult, umsichtig, ausgewogen und fair zu berichten. Auch eine eigene Radiosendung bewegt den Friedensprozess nach vorn: „Bangsamoro Jetzt – Stimmen für den Frieden“ sendet Nachrichten zum Friedensprozess in die gesamte konfliktreiche Bangsamoro-Region im Süden der Philippinen. Die Bevölkerung diskutiert dabei übers Telefon genauso mit wie Sprecher der Rebellen und Regierungsvertreterinnen und -vertreter.

Dass Friedensarbeit auch dazu beitragen muss, die Zivilgesellschaft vor Ort zu stärken, zeigt das Beispiel Nepal. Die vom ZFD initiierte Online-Plattform NepalMonitor.org informiert in Echtzeit über Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land – und will damit „Ungerechtigkeit sichtbar machen“ und die Sicherheit von Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern erhöhen. Per Mausklick zeigt eine interaktive Karte die Anzahl der Zwischenfälle und Übergriffe in verschiedenen Landesteilen. Gewalt gegen Frauen nimmt dabei eine traurige Spitzenposition ein. Die Plattform hilft, schneller auf Vorfälle zu reagieren, aber sie trägt auch zum Schutz der Mitarbeitenden von Menschenrechtsorganisationen und der Bevölkerung bei. Mehr als 2.000 Personen nutzen inzwischen den NepalMonitor, um ihre Sicherheit am jeweiligen Aufenthaltsort zu bewerten.

Auch beim Festakt stand die Arbeit der Partner im Mittelpunkt

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Ziviler Friedensdienst_zfd_Jubiliaeums-Logo_20 Jahre
Ein energiegeladener Auftritt der HipHop-Band Sawa Sawa Soundsystem, gemeinsam mit dem deutschen Rapper Curse, stimmte auf den Festakt am frühen Abend ein. Sawa Sawa Soundsystem formierten sich in dem palästinensischen Geflüchtetenlager Shu’fat (Ostjerusalem) im Rahmen eines ZFD-Projekts, das Jugendliche darin stärkt, sich gewaltfrei für ihre Anliegen einzusetzen. Der in Berlin lebende Rapper und Coach Michael „Curse“ Kurth verstärkte das Soundsystem auf der Bühne. Er arbeitete bereits in den Palästinensischen Gebieten mit den jungen Männern zusammen.

Auch der eigentliche Festakt bot weitere Einblicke in die Arbeit des ZFD und seiner Partnerorganisationen. Padre Darío Echeverri Gonzáles, Generalsekretär der Nationalen Versöhnungskommission der katholischen Kirche in Kolumbien (CCN), beschrieb in seiner Keynote die „unermüdliche Arbeit des ZFD in der Aussöhnungskommission,“ die eine Verhandlungslösung mit den FARC-Rebellen erarbeitet habe, und warnte davor, in den Anstrengungen für den Frieden nachzulassen, der durch Korruption, Drogenhandel und „unendliche Schmerzen aus der Vergangenheit“ bedroht sei.

Susan Risal, Geschäftsführerin von Nagarik Aawaz („Citizens Voices“), ZFD-Partnerorganisation in Nepal, berichtete über die eskalierende Gewalt in Nepal und betonte die Wichtigkeit des Zuhörens. „Wir müssen in Friedenszentren sichere Räume schaffen, in denen Menschen über Belastungen und Traumata sprechen können. Erst wenn wir den Ungehörten zuhören, können wir Aktivitäten starten.“

Raphael Nabholz, ehemalige ZFD-Fachkraft in Israel und den Palästinensischen Gebieten, trug seine Geschichte um die Entstehung der binationalen „Combatants for Peace“ vor. „Koexistenz beider Gruppen ist das Ziel,“ betont Raphael Nabholz, „Kennenlernen und kreativer Widerstand der Weg. Eine wahre Augenöffnungsarbeit.“ Weil erst ein Ende der Gewalt die Voraussetzung für den Frieden ist, legen israelische Soldatinnen und Soldaten und palästinensische Widerstandskämpferinnen und -kämpfer ihre Waffen nieder und engagieren sich für den Frieden. Die Combatants setzen sich aktiv für ein Ende der Besatzung, Gewaltfreiheit und Dialog ein. Herzstück ihrer Arbeit ist für viele eine Provokation: Eine gemeinsame Trauerzeremonie, der Israeli-Palestinian-Memorial-Day gedenkt einmal im Jahr der Opfer beider Seiten. Raphael Nabholz formulierte eine Hoffnung an die Politik: „Die Potenziale der Friedensarbeit müssen noch stärker hervorgehoben werden, aber dazu muss auch der ZFD politischer werden.“

„Rund zwei Milliarden Euro jährlich investiert unser Haus in Themen wie Konfliktprävention, Aussöhnung und Friedensarbeit,“ sagte Norbert Barthle, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in seiner Eröffnungsrede zum Festakt. „Dabei setzen wir besonders auf den ZFD,“ ergänzt er seine Geburtstagsglückwünsche „für den Jüngling, das zwanzigjährige Kind des BMZ.“ Die Akteure stellten Menschlichkeit wieder her und leisteten damit eine Arbeit von unschätzbarem Wert – für die den Mitarbeitenden dem Zivilen Friedensdienst heute gedankt werden soll. „Und der Dank,“ schloss Barthle augenzwinkernd mit einer Spruchweisheit aus seiner schwäbischen Heimat, „ist immer die stärkste Form der Bitte.“


Die Jubiläumsveranstaltung 20 Jahre Ziviler Friedensdienst fand am 4. und 5. Dezember im Berliner Dienstsitz des BMZ statt. Der 1. Tag der Veranstaltung stand im Zeichen von Information und Austausch: Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von ZFD-Partnerorganisationen waren angereist und gaben Einblick in ihre Arbeit vor Ort. Am 2. Veranstaltungstag folgte ein Fachdialog zu den zukunftsweisenden Themen Digitalisierung, Religion und Jugend. In drei Arbeitsgruppen und anschließend im Plenum wurden die Themen im Hinblick auf die Gestaltung konkreter Friedensarbeit diskutiert. Die Veranstaltung wurde vom Konsortium Ziviler Friedensdienst und dem BMZ ausgerichtet.

Text: Gerlinde Unverzagt, Bearbeitung: ZFD-Redaktion, Fotos: GIZ/Thomas Ecke

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