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31.01.2019 – Diesen Monat erinnern wir uns erneut an die Ermordung von zwei indigenen Rarámuri-Anführern in der Sierra Tarahumara, Mexiko.

Isidro Baldenegro López, ermordet am 15. Januar 2017, war ein Umweltverteidiger, der sich insbesondere gegen illegale Abholzungen in der Gemeinde Guadalupe y Calvo einsetzte. Internationale Organisationen unterstützten seine Arbeit und im Jahr 2005 erhielt er dafür sogar den renommierten Goldman-Umweltpreis. Auch Juan Ontiveros Ramos, ermordet am 31. Januar 2017, verteidigte das Territorium seiner Vorfahren der indigenen Gemeinschaft Choreachi, ebenfalls in der Gemeinde Guadalupe y Calvo. Die Jahrestage der Ermordung von Isidro Baldenegro und Juan Ontiveros erinnern uns auf traurige Weise an das hohe Risiko dem Personen ausgesetzt sind, die ihr Land, Territorium und die Umwelt in der Sierra Tarahumara verteidigen.

Die Verteidigung von Landrechten in einem Kontext der Gewalt

pbi-Freiwilliger in MexikoDie Sierra Tarahumara ist Teil des Gebirges Sierra Madre Occidental und befindet sich im Bundesstaat Chihuahua im Nordosten Mexikos. Die Gemeinde Guadalupe y Calvo, aus der Isidro Baldenegro und Juan Ontiveros kamen, liegt im südlichen Teil der Sierra Tarahumara. Wie der Bericht „At What Cost?“ von Global Witness von Juli 2018 zeigt, sind die Bedrohungen für die Rechte der indigenen Bevölkerung in der Sierra Tarahumara vielfältig. Infrastrukturmaßnahmen und extraktive Projekte wie illegale und legale Abholzungen oder die Vergabe von Bergbaukonzessionen werden ohne Zustimmung auf ihren Territorien geplant und durchgesetzt. Das Recht der indigenen Gemeinschaften auf vorherige, freie und informierte Konsultation wird missachtet. Hinzu kommt eine starke Präsenz von Gruppen der organisierten Kriminalität, die insbesondere aufgrund der strategischen Lage in der Region aktiv sind. Sie nutzen die Sierra Tarahumara sowohl für den Anbau illegaler Substanzen, als auch für deren Transport in Richtung Norden. Menschenrechtsverteidiger_innen und indigene Gemeinschaften, die ihr Land, Territorium und die Umwelt verteidigen, werden von den Behörden unzureichend geschützt und Verbrechen gegen sie sind von anhaltender Straflosigkeit gekennzeichnet. Der Bericht von Global Witness verweist auf einen Anstieg von Ermordungen von Umwelt- und Landrechtsverteidiger_innen in ganz Mexiko in den letzten Jahren. Während Global Witness 2016 drei Ermordungen registrierte, waren es 15 im Jahr 2017, unter ihnen Isidro Baldenegro und Juan Ontiveros. Beide Ermordungen blieben bis heute ungestraft.

Leider ist das Thema auch heute noch hochaktuell. Nicht nur wegen der Straflosigkeit und schleppenden Ermittlungen in den Fällen von Isidro Baldenegro  und Juan Ontiveros, sondern auch weil es notwendig ist, an die Kämpfe dieser zwei Menschenrechtsverteidiger zu erinnern und aufgrund der Tatsache, dass die Ermordungen von Verteidiger_innen und indigenen Anführer_innen in der Sierra Tarahumara weitergehen. Erst kürzlich, am 24. Oktober 2018, wurde auch Julián Carrillo Martínez in der Gemeinde Guadalupe y Calvo ermordet. Er war Landrechtsverteidiger und Verwalter der Gemeingüter in seiner Gemeinschaft Coloradas de la Virgen. Aufgrund seines Einsatzes für indigene Landrechte erhielt er seit 2016 Drohungen, die ihn dazu zwangen, zeitweise die Region zu verlassen. Mehrere seiner Familienmitglieder wurden seitdem umgebracht. Julián Carrillo wurde bereits 2014 in den Nationalen Schutzmechanismus für Menschenrechtsverteidiger_innen und Journalist_innen aufgenommen, entsprechend war den mexikanischen Behörden sein Risiko bekannt. Doch trotz dieser Schutzmaßnahme wurde er bei der Rückkehr in seiner Gemeinde ermordet.

Forderungen und Unterstützung der mexikanischen Zivilgesellschaft

In einem Statement zu der Ermordung von Julián Carrillo, äußerten zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter auch einige Organisationen, die von pbi begleitet werden, ihre Trauer über den Verlust des Menschenrechtsverteidigers und ihre Besorgnis angesichts der Situation. Sie fordern:

  • Die unverzügliche Untersuchung des Mordes durch die Staatsanwaltschaft
  • Die Überprüfung und Auswertung der Maßnahmen des Nationalen Schutzmechanismus für Menschenrechtsverteidiger_innen und Journalist_innen
  • Die Implementierung und Weiterverfolgung des Plan de Contingencia, einem Aktionsplan zum besseren Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen und Journalist_innen im Bundesstaat Chihuahua und der Sierra Tarahumara.

Im Jahr 2012 schlossen sich drei zivilgesellschaftliche Organisationen aus Chihuahua zum Netzwerk „Red en Defensa de Territorios Indígenas de La Sierra Tarahumara“ zusammen. Ziel des Netzwerkes ist es, die indigenen Gemeinschaften der Sierra Tarahumara bei der Verteidigung ihrer Territorien zu unterstützen. Neben den Organisationen CONTEC und Tierra Nativa ist auch die Organisation Alianza Sierra Madre A.C. (ASMAC) Mitglied des Netzwerks und wird aufgrund der anhaltenden Bedrohungen gegen sie und die von ihr unterstützten indigenen Gemeinschaften von pbi begleitet. ASMAC setzt sich für den Schutz der Menschenrechte der indigenen Ódami y Rarámuri Bevölkerung in der Sierra Tarahumara ein. Sie unterstützt indigene Gemeinschaften bei der Einforderung und Verteidigung ihrer kollektiven Landrechte, ihres Zugangs zu natürlichen Ressourcen, ihr Recht auf Nahrung, ihr Recht auf Bildung und ihr Recht auf Pflege und Ausübung ihrer kulturellen Traditionen. Neben der direkten Arbeit mit den Gemeinschaften, bringt ASMAC ihre Anliegen in Dialogen mit Behörden und zivilgesellschaftlichen Akteuren ein.

Die Organisation arbeitet besonders eng mit den indigenen Gemeinschaften Coloradas de la Virgen und Choréachi in der Gemeinde Guadalupe y Calvo zusammen. Auch die ermordeten Menschenrechtsverteidiger Isidro Baldenegro, Juan Ontiveros und Julián Carrillo wurden bei ihrer Arbeit für den Schutz von Umwelt- und Landrechten von ASMAC begleitet und unterstützt.

Als pbi unterstützen wir die Forderungen der Zivilgesellschaft zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger_innen in der Sierra Tarahumara und eine umfassende Untersuchung und Aufklärung der Morde. Es muss garantiert werden, dass die Menschenrechtsverteidiger_innen, die ihr Land, Territorium und die Umwelt in der Sierra Tarahumara in Chihuahua verteidigen, ihre legitime Arbeit, in Sicherheit und Anerkennung, weiterführen können.

Text: pbi Mexiko & Janina Rühl