28.3.2019 – Die Menschenrechtsaktivist_innen Obtilia Eugenio Manuel und Hilario Cornelio der indigenen Menschenrechtsorganisation „La Organización de los Pueblos Indígenas Mepha’a“ überleben eine Entführung vom 12. bis zum 16. Februar 2019. Wenngleich es sich um ein Verbrechen handelt und beide nicht unversehrt sind, kann ihr Überleben in dem von Gewalt geprägten Bundesstaat Guerrero als Erfolg betrachtet werden.
Am Dienstagmorgen, den 12. Februar 2019, gegen 7:40 Uhr auf der Bundesstraße 95 zwischen “Tierra Colorada” und “Chilpancingo” im mexikanischen Bundesstaat Guerrero wird ein Sammeltaxi von bewaffneten, bislang unbekannten, Akteuren angehalten. Zwei der Insassen, die Menschenrechtsaktivist_innen Obtilia Eugenio Manuel sowie Hilario Cornelio Castro der indigenen Menschenrechtsorganisation „La Organización de los Pueblos Indígenas Mepha’a“ kurz (OPIM), werden unter vorgehaltenen Waffen aus dem Auto gezerrt und verschleppt. Kurze Zeit später beginnen die ersten Vertreter_innen der Zivilgesellschaft, allen voran Pater Solalinde, Gründer der Partnerorganisation des pbi-Mexikoprojektes „Hermanos es en Camino“, öffentlich den mexikanischen Staat aufzufordern, die entführten Aktivist_innen zu suchen. Auf kommunaler, föderaler, staatlicher und internationaler Ebene werden Notfallkontakte, Amtsträger_innen und Unterstützer_innennetwerke kontaktiert und mobilisiert, um dem öffentlichen Interesse am Überleben der Aktivist_innen Nachdruck zu verleihen. Leider viel zu selten enden Szenarien wie dieses, welches in Mexiko keine Seltenheit darstellt, mit dem Wiederauffinden der entführten Personen oder auch nur dem Leichnam, um zumindest den Angehörigen Gewissheit zu verschaffen.
Seit Jahren ein Leben in Risiko
Diffarmierung der Opfern
Obgleich des Erkennens der Bedrohungslage kam Obtilia Ihren Verantwortungen nach und machte sich am Dienstagmorgen auf den Weg in die Landeshauptstadt Chilpancingo. Um nicht alleine zu reisen, wurde Sie von Ihrem Kollegen der Organisation OPIM, Hilario Cornelio, begleitet. In den darauffolgenden Tagen wurden beide in öffentlichen Medien diffarmiert, um von der Verantworlichkeit für das Vebrechen abzulenken. Es kursierte das Gerücht die beiden Aktivist_innen hätten ein romantisches Verhältnis und anstelle einer Entführung handele es sich um ein Liebespaar, welches geflohen sei, um dem Lebenspartner von Obtilia zu entgehen. Ungeachtet dessen baute die Zivilgesellschaft sowie Obtilias Lebenspartner weiter politischen Druck auf die Behörden auf, um die verschwundengelassenen Personen aufzuspüren. Am Samstag Morgen, den 16. Februar, publizierten Medien dann die kaum noch realistisch geglaubte Nachricht: In einer gemeinsamen Aktion hätten die Sicherheitsbehörden Obtilia und Hilario befreit. Es stellte sich heraus, dass die Nachricht zwar nicht in Gänze stimmte, der wichtigste Teil war jedoch wahrheitsgetreu: In der Nacht von Freitag auf Samstag haben die Entführer beide Aktivist_innen freigelassen. Obtilia gibt Tage später in einem öffentlichen Statement, psychisch und physisch noch deutlich gezeichnet von den Misshandlungen, denen sie ausgesetzt war, bekannt, dass sie und ihr Kollege Hilario, ohne Mitwirkung der Behörden aber unter Androhung des Ermordens ihrer Familie bei Denunzierung der Verantwortlichen, freigelassen wurden.
Hoffnung auf Gerechtigkeit
Auch wenn die Nachricht über das Überleben der Aktivist_innen eine sehr Freudige war, ist es kaum möglich, von einem Sieg der Gerechtigkeit zu sprechen. Denn nichtsdestotrotz wurden zwei Menschenrechtsaktivist_innen für die Ausübung ihrer legitimen und wichtigen Arbeit gewaltsam ihrer Freiheit beraubt und misshandelt. Obtilia schilderte im Nachhinein, dass sie während der Enführung davon ausging, ihr Kollege Hilario sei bereits getötet worden. Dennoch gab sie die Hoffnung, selbst zu überleben, nicht auf. Ebenso gab die mexikanische und internationale Zivilgesellschaft, trotz der unzähligen Fälle in denen Aktivist_innen nicht überlebten, die Hoffnung nicht auf und hielt den politischen Druck aufrecht. Dieses Durchhalten zahlte sich aus, so gewann zwar nicht die Gerechtigkeit, jedoch zumindest die Hoffnung. Und die Hoffnung auf Gerechtigkeit wird in diesem wie in anderen Fällen von der Zivilgesellschaft unermüdlich weitergetragen.
Text: Tilman Papesch