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06.07.2016 - pbi Mexiko hat in einem offenen Brief die mexikanischen Autoritäten aufgefordert, im Rahmen der gewaltsamen Auseinandersetzungen im Bundesstaat Oaxaca das Demonstrationsrecht der Protestierenden zu respektieren, den Dialog mit den Demonstrant_innen zu suchen sowie deren körperliche Unversehrtheit zu garantieren. Monatelanger Protest der Lehrer_innengewerkschaft CNTE (Coordinadora Nacional de Trabajadores de la Educación) hatte in den letzten Wochen zu blutigen Auseinandersetzungen und Toten geführt.

Der Protest der Lehrer_innengewerkschaft CNTE im Bundesstaat Oaxaca gegen eine staatliche Bildungsreform hat sich in den letzten Monaten immer stärker zugespitzt. Gegen Protestcamps und Blockade hatte die Regierung zuletzt vermehrt Polizeikräfte eingesetzt und Verhaftungen gegen Gewerkschafter_innen durchgeführt. Dies führte am 19. Juni in Asunción de Nochixtlán, das an der wichtigen Autobahn Carretera Federal 190 zwischen Mexiko-Stadt und der Stadt Oaxaca liegt, zu gewaltsamen Zusammenstößen, die sich auch an anderen Orten des Bundesstaates fortsetzten. Es wird von mindestens neun außergerichtlichen Hinrichtungen, 25 willkürlichen Verhaftungen und bis zu 45 Verletzten berichtet. Die Verhafteten seien in der Folge Folter ausgesetzt gewesen.

Die Vorgänge haben landesweite und internationale Bestürzung hervorgerufen. So veröffentlichten beispielsweise die von pbi begleitete Organisation Codigo-DH zusammen mit anderen lokalen Menschenrechtsorganisationen ebenso wie das landesweite Menschenrechtsnetzwerk Red TdT Eilaktionen. Die Ombudsstelle von Oaxaca erließ wie auch die nationale Menschenrechtskommission (CNDH) vorbeugende Sicherheitsmaßnahmen für bei den Auseinandersetzungen verschwundene Personen. Ebenso nahmen Amnesty International, Vertreter_innen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte sowie der UN-Sonderberichterstatter für außergerichtliche Hinrichtungen mit Besorgnis Stellung zu den Vorgängen.

pbi Mexiko mahnt deswegen die mexikanischen Autoritäten:

  • das Recht auf Demonstration, Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Lehrer_innenbewegung sowie der mexikanischen Zivilgesellschaft zu respektieren,
  • den Dialog mit der Lehrer_innenbewegung zu suchen,
  • die physische und psychologische Unversehrtheit der Demonstrant_innen und der sie begleitenden Menschenrechtsverteidiger_innen zu garantieren,
  • das Recht auf ein faires Verfahren zu garantieren,
  • die Vorgänge des 19. Juni in Nochixtlán aufzuklären und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen,
  • die Empfehlungen der Wahrheitskommission von Oaxaca zu den Verbrechen von 2006 umzusetzen, da deren aktueller Status der Straffreiheit künftige Menschenrechtsverbrechen begünstigt.

Die Lehrer_innengewerkschaft CNTE gilt als letzte regierungskritische Gewerkschaft, weshalb sie über Jahre hinweg besonders von Repressionen betroffen ist. Auf Grund dieser Repression aber auch wegen der umstrittenen Reformen im Bildungs-, Gesundheits- und Energiesektor (Pakt für Mexiko 2013) solidarisieren sich weite Teile der Zivilbevölkerung mit ihr. Vor allem Angestellte des Gesundheitssektors und des staatlichen Erdölkonzerns Pemex sowie indigene und zivilgesellschaftliche Organisationen schließen sich dem Protest gegen eine Prekarisierung und Privatisierung der betroffenen Sektoren durch die Strukturanpassungsmaßnahmen an. Derweil initiieren die, zum Teil staatlich gelenkten, Medien eine Diffamierungskampagne gegen die Proteste indem sie eine Nahrungsmittelknappheit infolge der anhaltenden Straßenblockaden heraufbeschwören.

Mittlerweile traf eine Recherchegruppe des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Oaxaca ein, um die Vorfälle in Nochixtlán zu untersuchen und die Regierung ist in den geforderten Dialog mit den Protestierenden getreten, betont allerdings nach wie vor die Notwendigkeit der Reformen und dessen Durchsetzung, notfalls mit Einsatz der militärischen Streitkräfte.

Text: Tobias Wallusch

Weitere Informationen:
>> Der offene Brief von pbi Mexiko (auf Spanisch)
>> Podcast: Interview mit Philipp Gerber von medico international & der von pbi begleiteten Organisation Educa (auf Deutsch)
>> Stellungnahme von Amnesty International (auf Spanisch)
>> Ausführlicher Artikel zu den Vorfällen in Nochixtlán, Oaxaca am 19. Juni 2016 (auf Deutsch)