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18.04.2023 – Fast zwei Jahre nach dem landesweiten Streik in Kolumbien im Jahr 2021 bleiben hochrangige Vertreter der Staatsgewalt weiterhin straffrei. Von den insgesamt über 3.000 gemeldeten kriminellen Handlungen wurden durch die Generalstaatsanwaltschaft nur 65 Fälle den Polizeikräften zugeordnet. Davon wurden lediglich elf Taten archiviert und bis jetzt kam es zu keiner Verurteilung. Gleichzeitig werden jedoch 230 junge Menschen strafrechtlich dafür verfolgt, die Proteste angeführt zu haben. 

Straflosigkeit bei Polizeigewalt in KolumbienBesonders besorgniserregend sind die Aussagen zahlreicher Menschen­rechts­organisationen über verschwundene Personen im Zusammenhang mit dem Nationalstreik. Kürzlich beschuldigte der Geschäfts­mann und Friedhofs­verwalter Sergio Venegas die Polizei, 300 junge Demonstrant:innen während des nationalen Streiks vor zwei Jahren in den Krematorien der Bezirksfriedhöfe verschwunden gelassen zu haben. Der Koordinator der Beobachtungsstelle für Menschenrechte bei der Kollektive Coordination Colombia Europe United State (CCEEU) Alberto Yepes gab an, dass der Verbleib von 87 Menschen, die vermutlich auf den Friedhöfen Bogotás verschwunden sind, noch immer ungeklärt ist. 

Die Schwere der Menschenrechtsverletzungen, die vermutlich von Polizei und Militär ausgeübt wurden sowie die Weigerung, die Verantwortung dafür zu übernehmen, stehen im Zusammenhang mit der Straflosigkeit, die innerhalb der kolumbianischen Nationalpolizei herrscht. Im Dezember 2022 wurden zahlreiche Personen, darunter die Direktorin von NOMADESC, Berenice Celeita, die die Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit den Protesten anprangerten, zu Zielen paramilitärischer Übergriffe. Laut Óscar Ramírez, dem Präsidenten des Komitees der Solidarität mit politischen Gefangenen (CSPP), ist Straflosigkeit eine direkte Folge der fehlenden externen Kontrolle der Behörden, die auf den militärischen Charakter der Polizei zurückzuführen ist. 

Der jüngste Bericht der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) äußert Besorgnis über die allgemeine Straflosigkeit im Land. Nach der Niederschlagung der Proteste von 2021 richtete die Kommission 41 Empfehlungen an den kolumbianischen Staat und informierte nun, dass nur drei der Empfehlungen „teilweise erfüllt“ wurden. Dies bestätigt wiederum den Bedarf einer strukturellen Reform der Polizei. Sie war ein wichtiges Versprechen der neuen Regierung und eine historische Forderung von Menschenrechtsorganisationen in Kolumbien. Der Gesetzesentwurf, dessen Verabschiedung im Nationalkongress noch aussteht, beinhaltet als Schlüsselelement die Überführung der Nationalen Polizei vom Verteidigungsministerium in ein ziviles Ministerium. Ziel der Reform ist es, die Polizeigewalt zu beenden, ihre Auswirkungen zu beseitigen und die Nicht-Wiederholung dieser Taten zu garantieren. Somit würde der Staat eine Verpflichtung eingehen – gegenüber den Tausenden von Familienangehörigen und Opfern von Polizeigewalt in Kolumbien, die noch immer auf Wahrheit und Gerechtigkeit warten.

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