16.12.2020 – Maryanne Kasina ist eine kenianische Frauenrechtsverteidigerin und Mitgründerin des Kayole Social Justice Center, welches gegen geschlechtsspezifische Gewalt und Polizeigewalt kämpft. In einem Interview mit Naïma Cottier, Assistentin für Kommunikation und Fundraising von pbi Schweiz, spricht sie über die Situation der Frauen in Kenia und erzählt von ihren Ideen zur Verbesserung der Lage.

Die Auswirkungen der Pandemie in Kenia

Maryanne KasinaDie Pandemie hat die Situation der Frauen und Mädchen in Kenia verschlechtert. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit, der Mangel an Produkten des täglichen Bedarfs, die Schulschliessungen und die Ausgangssperre haben negative Auswirkungen auf die häusliche und emotionale Gewalt. Kasina unterstreicht, dass die geschlossenen Schulen langfristig wahrscheinlich zu mehr Schulabbrüchen führen wird, weil die Kinder arbeiten müssen, um ihre Eltern zu unterstützen. Da es nur wenige Arbeitsplätze gibt, sind junge Männer oft gezwungen, sich Jugendbanden anzuschliessen und junge Frauen müssen sich prostituieren. Zahlreiche Mädchen werden zudem nier zur Schule zurückkehren können aufgrund von Teenager-Schwangerschaften.

Kasinas Antwort auf die Frage, was die Regierung machen müsste, um die Situation zu verbessern, ist einfach: Sie muss für die Befriedigung der Grundbedürfnisse sorgen. Das beinhaltet die Ernährung, Ausbildung, Gesundheitsartikel für alle, sichere Unterkünfte für Frauen und mehr bezahlbarer Wohnraum.

„Armut ist Gewalt. Wenn es Armut gibt, gibt es Gewalt.“ – Maryanne Kasina

Die mangelnde Unterstützung der Regierung führt dazu, dass Menschenrechtsverteidiger:innen wie Kasina für ihre Rechte kämpfen müssen. Mit sechs anderen Frauen hat sie das Kayole Social Justice Center gegründet. Den Drohungen der Polizei – oder der Killer-Cops, wie sie sie nennen – zum Trotz, verteidigen sie Frauen, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt oder gewaltsamem Verschwindenlassen geworden sind. Ihr Ziel ist es, Gerechtigkeit zu erlangen, indem sie die Fälle dokumentieren und Frauen Schutz sowie psychische und juristische Unterstützung geben.

Sich prostituieren für Hygieneartikel

Das Kayole Social Justice Center setzt sich auch für gratis Menstruationsprodukte ein. In Kenia werden diese als Luxusartikel betrachtet und zahlreiche Frauen haben keine Mittel, um sich solche zu kaufen. Als Folge verlassen viele Mädchen die Schule, sobald sie ihre Periode bekommen. Andere gehen so weit, sich prostituieren zu lassen, um Menstruationsprodukte kaufen zu können. Die Seltenheit dieser Produkte führt teils zu einem zu langen Gebrauch, was Infektionen auslöst.

Wie im Großteil der Welt, ist auch in Kenia das Thema Menstruation ein großes Tabu. In einigen Gemeinden gilt sie als schlechtes Omen und es ist den Frauen verboten, während der Menstruation die Kirche oder die Küche zu betreten.

Um diese Stigmatisierung zu brechen organisiert das Kayole Justice Center Mentor-Programme mit dem Ziel, Mädchen, Jungen und ihre Eltern über die Themen Menstruation, reproduktive Rechte und das Recht, keine Scham für den eigenen Körper zu haben, zu informieren. Für eine nachhaltige Veränderung ist es wichtig, alle Geschlechter und Altersgruppen einzubeziehen, erklärt Kasina.

„Wir verlangen sexuelle und reproduktive Rechte sowie gratis Menstruationsprodukte in allen öffentlichen Räumen!“ – Maryanne Kasina

Maryanne Kasina und das Kayole Social Justice Center werden von pbi in ihrer Arbeit unterstützt. pbi Kenia organisiert in enger Zusammenarbeit mit den Social Justice Centers Führungstrainings und erhöht die Sichtbarkeit der Problematik in Kenia sowie international und schärft das öffentliche Bewusstsein.

Text: pbi Schweiz