„Als langjährige Aktivistin, Feministin, Umweltschützerin und Menschenrechtsverteidigerin hätte ich mir nie vorstellen können, dass ich mein Land eines Tages verlassen muss und mit dem Tod bedroht werde, weil ich friedlich protestiert habe.

Ich sah die brutale Unterdrückung der Menschen aus erster Hand. Bei den Protesten leistete ich Verletzten erste Hilfe. Das war sehr schmerzhaft, denn einige von ihnen hätten im Krankenhaus behandelt werden müssen. Die Krankenhäuser aber wurden geschlossen und wir konnten nicht alle retten.

Die Jahre im Exil sind ein Synonym für Widerstand. Hierher zu kommen, ohne etwas zu haben, ohne die Möglichkeit, eine angemessene Arbeit zu finden, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit zu erleben und eine Pandemie, die meinen Schmerz noch vergrößert, war schwierig. Aber ich habe gelernt, mit Würde zu überleben und widerstandsfähiger zu werden.

Manchmal fällt es mir schwer, weiterzumachen: Ich bin müde von so viel Gewalt und habe Angst, zusammenzubrechen. Doch dann erinnere ich mich daran, dass das Exil mir erlaubt, frei und lebendig zu sein, sodass ich nicht schweigen kann. Vor allem jetzt, wo ich nicht weiß, wo mein kürzlich verschwundener Bruder ist und die Menschen in Nicaragua weiterhin unterdrückt und verfolgt werden.

Gleichzeitig sind im Exil aber auch schöne Dinge passiert, wie die Begegnung mit anderen nicaraguanischen Verteidiger:innen, denen ich in meinem Land nicht nahestand. Inmitten des Schmerzes war es eine große Erleichterung, einander umarmen zu können und einander zuzuhören, Netzwerke zu bilden, sich gegenseitig zu stärken und gemeinsam Widerstand zu leisten.

Nicaragua braucht uns, die wir die Menschenrechte verteidigen, mehr denn je. Hier bin ich, atme die Kraft der Natur und erhebe meine Stimme für meinen Bruder, für meine Familie, für mein freies Nicaragua und für mich.“