09.03.2016 - In den 80er Jahren wurden mehrere Maya-Q’eqchi-Frauen von Soldaten zu häuslicher und sexueller Sklaverei gezwungen. 30 Jahre später brachen sie ihr Schweigen. Ein guatemaltekisches Gericht verurteilte nun die verantwortlichen Militärangehörigen zu hohen Haftstrafen.
Die Richter_innen des Hochsicherheitsgerichts A (Tribunal de Mayor Riesgo) in Guatemala verkündeten am 26. Februar 2016 ein historisches Urteil. Die zwei ehemaligen, hochrangigen Militärangehörigen Esteelmer Francisco Reyes Girón und Heriberto Valdez Asij wurden nach 20 Verhandlungstagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, gewaltsamen Verschwindenlassens und mehrfachen Mordes zu insgesamt 360 Jahren Gefängnis verurteilt.
Das Urteil bezieht sich auf den als „Sepur Zarco“ bekannten Fall. Sepur Zarco ist eine Maya-Q’eqchi-Gemeinde an der Grenze der Verwaltungsbezirke Alta Verapaz und Izabal im Osten Guatemalas, wo während des internen bewaffneten Konflikts in Guatemala im Jahr 1982 mehrere Männer verschwanden, die sich für die rechtliche Anerkennung ihrer Ländereien einsetzten und beschuldigt wurden, die Guerilla zu unterstützen. Ihre Frauen wurden daraufhin bis zu sechs Jahre lang von den Soldaten des angrenzenden Militärstützpunktes wiederholt vergewaltigt und zum Kochen sowie Wäsche waschen gezwungen.
Im Jahr 2011 reichten 15 Frauen aus Sepur Zarco-Klage ein. Der Fall wurde an eine Spezialeinheit für Menschenrechte der guatemaltekischen Staatsanwaltschaft verwiesen. Ein Jahr später sagten die Frauen im Rahmen einer vorzeitigen Beweisaufnahme vor Gericht aus. Elf der Zeuginnenaussagen wurden vom Gericht zugelassen. Begleitet wurden die elf Frauen vor und während der Gerichtsverhandlung, die am 1. Februar 2016 begonnen hatte, von der „Allianz mit dem Schweigen und der Straflosigkeit brechen“(Alianza Rompiendo el Silencio y la Impunidad). Sowohl die Klägerinnen als auch ihre Anwältinnen waren zahlreichen Diffamierungen und Drohungen ausgesetzt.
Nach zahlreichen Zeug_innenaussagen, mehr als 30 Kartons mit Beweismaterial und sechs Gutachten war das Gericht überzeugt, dass die beiden Angeklagten Kenntnis von den Straftaten hatten und auch selbst an diesen beteiligt waren. Die Richter_innen Yassmin Barrios, Patricia Bustamante und Gerbi Sical verurteilten Ex-Kommandant Reyes Girón zu 120 Jahren Haft: 30 Jahre für Verbrechen gegen die Menschlichkeit und jeweils 30 Jahre für den Mord an Dominga Cocso wie ihren beiden Töchtern Anita und Hermelinda. Gegen den ehemaligen Militärkommissar Valdez Asij verhängten sie wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gewaltsamen Verschwindenlassen seine Strafe von 240 Jahren Haft.
Es ist das erste Mal, dass ein nationales Gericht sexualisierte Gewalt sowie häusliche und sexuelle Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschlichkeit wertet.
Text: Stephanie Brause
Quellen:
www.prensalibre.com
www.acoguate.org
Zusätzliche Hintergrundinformationen:
>> Das komplette Urteil zum Fall Sepur Zarco (auf Spanisch)
>> Beim Nachrichtenpool Lateinamerika gibt es einen deutschsprachigen Beitrag zum Fall Sepur Zarco (ab Minute 5:56).
>> Auf dem Blog der Nichtregierungsorganisation Guatemala Human Rights Commission könnt ihr eine detaillierte Beschreibung der ersten Verhandlungswoche (sowohl auf Spanisch als auch auf Englisch) lesen.
>> Englischsprachige Artikel zu den verschiedenen Phasen des Sepur Zarco-Falles findet ihr beim International Justice Monitor.
>> Die Organisation „Mujeres Transformando el Mundo“ veröffentlichte im vergangenen Jahr eine Kurzdokumentation inklusive Zeugenaussagen des Sepur Zarco-Falls (Englisch bzw. Spanisch mit englischen Untertiteln).