Direkt zum Inhalt

Aline Herrera (Guatemala)

„Der Kampf der Menschenrechtsverteidiger_innen für die Anerkennung ihrer Rechte, ihr Mut, ihre Kraft und ihr Widerstand haben mich tief bewegt.“

Bild
Aline Herrera war als Freiwillige der Menschenrechtsorganisation peace brigades international (pbi) in Guatemala

Aline Herrera aus der Schweiz ist aus ihrem einjährigen Einsatz in Guatemala zurückgekehrt. Sie schildert uns ihre ambivalenten Gefühle und erzählt, inwiefern sie das Engagement mit pbi bereichert hat.

Ein Jahr in Guatemala…

„Nach einem intensiven und überwältigenden Jahr in Guatemala bin ich wieder zurück in der Schweiz. Eine Bilanz zu ziehen ist schwierig, da ich in diesen zwölf Monaten im pbi-Guatemala Projekt viele verschiedene Etappen durchgemacht habe. Meine Gefühle sind gemischt; auf der einen Seite empfinde ich eine gewisse Freude in ein sicheres Umfeld zurückgekehrt zu sein, wo die Bürokratie funktioniert und ich wieder ein aktives Sozialleben mit meiner Familie und Freund_innen führen kann. Auf der anderen Seite jedoch verspüre ich (eine) Frustration, (manchmal überkommen mich) Ohnmacht und Nostalgie, wenn mir die Distanz bewusst wird, die mich von den Menschenrechtsverteidiger_innen in Guatemala trennt, die mich im Laufe dieses Jahres so vieles gelehrt haben. Der Kampf für die Anerkennung ihrer Rechte, ihr Mut, ihre Kraft und ihr Widerstand haben mich tief bewegt. Diese außerordentlichen Menschen haben es mir erlaubt, die Augen zu öffnen, eine andere Weltsicht, Kultur und Sensibilität zu entdecken. Durch sie habe ich erkannt, welches die wahren Werte im Leben sind und die historischen und gegenwärtigen Wurzeln dieses fortwährenden friedlichen Kampfes verstanden, der die Anerkennung ihrer Rechte zum Ziel hat. Ob es nun Männer oder Frauen, Bäuer_innen oder Anwält_innen, Mitglieder einer indigenen Gemeinschaft oder Ladinos, Menschen aus der Stadt oder vom Land sind; die Menschenrechtsverteidiger_innen, die ich das Glück hatte, kennen zu lernen, haben mich mit ihrer individuellen und kollektiven Kraft, die sie antreibt, ihre Rechte einzufordern, tief beeindruckt.

Ein historischer Prozess

Während der letzten Monate im Team konnte ich an einem historischen Ereignis teilnehmen; dem Genozid-Prozess gegen die ehemaligen Generäle José Efraín Ríos Montt und José Mauricio Rodríguez Sánchez. Das Team von pbi Guatemala hat Edgar Pérez Archila, einen der Anwälte, der die Opfer vertritt, Tag für Tag zu den spannungsvollen Anhörungen der Gerichtsverhandlung dramatischen / bewegten / bewegenden Audienzen an den Gerichtsverhandlungen begleitet. Die Zeug_innenaussagen haben mich für immer geprägt, genauso wie die Emotionen, welche die Verkündung des Schuldspruchs gegen den ehemaligen Staatschef Montt in mir hervorgerufen hat.

Obwohl das Urteil wenige Wochen später aufgehoben wurde, hat die während der letzten Monate ausgestrahlte Hoffnung den Opfern des Bürgerkrieges ermöglicht, endlich an eine Gerechtigkeit zu glauben, das Schweigen zu brechen und sich den Dämonen der Vergangenheit zu stellen.

Immer mehr Gefahren für Menschenrechtsverteidiger_innen

Trotz dieser Fortschritte, bleibt die Lage für die guatemaltekischen Menschenrechtsverteidiger_innen weiterhin prekär. Die Zahl der Zwischenfälle bezüglich der Sicherheit der begleiteten Personen, mit denen wir dieses Jahr konfrontiert waren, hat sich vervielfacht. Zwangsumsiedlungen, bewaffnete Übergriffe oder illegale Festnahmen waren leider alltäglich. Nur weil sich die von pbi begleiteten Personen immer wieder für unseren Einsatz bedanken, finden wir die Kraft, die es uns erlaubt, daran zu glauben, dass unsere Präsenz nicht umsonst ist und unser Beitrag einen Unterschied machen kann.

Die Bereicherungen des Einsatzes

Auch wenn das Zusammenleben und –arbeiten mit mehreren Personen nicht immer einfach ist, der gemeinsame Alltag mit zehn aus verschiedenen Ländern stammenden Freiwilligen, war in vielerlei Hinsicht eine bereichernde Erfahrung, bei der ich inmitten dieser neuen Familie wahre Freund_innen gefunden habe.

Ob es sich nun um denkwürdige Treffen handelt, um gemeinsames Lachen, um schwierige Momente während der Begleitungen oder interne Probleme, um die Vielseitigkeit der Arbeit zwischen Büro, Feld und zahlreichen Sitzungen mit den Behörden und anderen Organisationen – die Erlebnisse dieses Jahres werden für immer fest in mir verankert bleiben. Ich hoffe, von nun an in der Schweiz weiterhin einen kleinen Beitrag leisten zu können, damit die Rechte, für welche sich diese bewundernswerten Personen, die Menschenrechtsverteidiger_innen, einsetzen, endlich respektiert werden.“