18.04.2023 – Seit 2020 bestärken sich nicaraguanische Frauen gegenseitig innerhalb des Red de Mujeres Pinoleras. Gegründet als eine Möglichkeit, sich durch den Tausch von Gegenständen und Fähigkeiten im Exil in Costa Rica unter die Arme zu greifen, ist das Netzwerk heute ein Ort der feministischen Begegnung. Wir haben mit Xaviera Molina gesprochen, welche seit 2020 zum Netzwerk dazugehört.
Zudem sehen sich viele exilierte Nicaraguaner:innen in Costa Rica Xenophobie sowie Aporophobie (Angst vor/Negative Gefühle gegenüber armen Menschen) ausgesetzt. Berufe und Ausbildungen, die geflüchtete Nicaraguaner:innen vorher in ihrem Land ausgeübt haben, werden oft in Costa Rica nicht anerkannt. Daher ist es häufig notwendig, sich weiterzubilden oder eine neue (Berufs-)Ausbildung zu absolvieren, um die eigene Existenz zu sichern – wenn man sich dies denn leisten kann, denn studieren ist in Costa Rica eine teure Angelegenheit. Viele Exilierte arbeiten unter prekären Bedingungen.
Auch die Lebensunterhaltskosten in Costa Rica sind deutlich höher als die in Nicaragua. Unter dieser Situation leiden alle in das Land geflüchteten Menschen, aber besonders ist auch die Gruppe alleinerziehender Mütter betroffen. Denn oft fehlt der Zugang zu geeigneter Betreuung für die Kinder, wenn ihre Mütter arbeiten. Xaviera ist ebenfalls in einer solchen Situation. Als alleinerziehende Mutter, welche sich in der Ausbildung befand, musste sie sich zusätzlich noch mittels anderer Jobs über Wasser halten.
„Ich zum Beispiel habe eine Zeit lang nur an meinem Geschäft gearbeitet, aber jetzt mache ich verschiedene Arbeiten, die so etwas wie Gelegenheitsarbeit sind, um die Ausgaben, die ich habe, halbwegs zu decken. Für alleinerziehende Mütter ist das ziemlich kompliziert. Es gibt nur sehr wenige kostenlose Kinderbetreuungsmöglichkeiten und es ist schwer, einen Platz zu finden.“
Um sich gegenseitig zu unterstützen, gründete sie daher mit anderen nicaraguanischen Frauen das Red de Mujers Pinoleras. Mujeres Pinoleras – das ist die Eigenbezeichnung nicaraguanischer Frauen. Das Netzwerk sollte einen feministischen Raum schaffen, in welchem Frauen Gehör finden würden und sich gegenseitig aushelfen können.
„Ich halte es für sehr wichtig, dass wir das Frauennetzwerk gegründet haben. Denn dadurch haben wir ein Unterstützungsnetz, an das wir uns wenden können, wenn wir irgendwann ein Problem haben oder sehr krank sind. Oder wenn eine unserer Töchter krank wird, oder wenn etwas Ernsteres passiert, wenn wir zum Beispiel eine Arbeitsstelle verlieren – dann wissen wir, dass wir Unterstützung aus dem Netzwerk bekommen können, richtig?“
Das erste Treffen des Netzwerkes im Oktober 2020 entstand als eine Art des Tausches von Masken und anderen Gegenständen, welche man während der Pandemie benötigte. Für das darauffolgende im November 2020 wurde die Art des Treffens etwas geändert und nun wurde auch Essen und Trinken gestellt. Die Verpflegung kam gut an, und so entstand die Idee, dies im größeren Ausmaß umzusetzen. Am 5. Dezember 2020 kam es dann zu dem ersten Markt, bei welchem die Frauen des Netzwerks unterschiedliche handgefertigte Produkte anboten. Mit jedem Markt kamen mehr Besucher:innen, und auch das Netzwerk wuchs. Stück für Stück bildete sich so die Identität der Organisationen, welchem die Frauen dann den Namen Red de Mujeres Pinoleras gaben.
Das Netzwerk bietet den beteiligten Frauen Hilfe, im Exil in Costa Rico zu (über-)leben und die Möglichkeit, eine eigene Stimme zu haben. Hier wird sich nicht nur um die Organisation des Handwerksmarktes gekümmert, welcher einen Ort der finanziellen Absicherung schafft, sondern es ist auch ein Ort des Empowerments für die nicaraguanischen Frauen.
„Das Netzwerk […] ist ein integraler Bestandteil der Bestärkung von Frauen. Es ist deshalb so wichtig, da durch die Zusammenarbeit mit dem Netzwerk einige der unabhängigen Mitglieder [des Handwerksmarktes] in Schulungsprozesse miteinbezogen werden, welche uns geholfen haben, unser Unternehmertum zu verbessern und zu wissen, wie man es führt.“
Für Xaviera bedeutet dieses Empowerment von Frauen und Feminismus im Allgemeinen, Widerstand zu leisten und für eine inklusive, intersektionale und gleichberechtigte Welt zu kämpfen. Gemeinsam schaffen sich Frauen in einer Realität, die ihnen auf Grund ihres Geschlechts oft zusätzliche Steine in den Weg wirft, einen Ort der Verbundenheit und Sicherheit. Denn das Kollektiv ist nicht nur für physische, sondern auch für psychosoziale Unterstützung da. Sich gegenseitig eine Stimme und Autarkie zu verschaffen, steigert immens die Möglichkeit auf ein Leben in Würde.
„Kämpfen, Widerstand leisten und die Welt als aus einer intersektionalen, inklusiven und gleichberechtigten Perspektive zu sehen, hat eine große Bedeutung für mein Leben. Denn der Feminismus hat mich definitiv gerettet.“
Für Xaviera spielt hier auch pbi eine große Rolle. Die Begleitung von pbi in psychosozialen Prozessen und die Hilfestellung bei der Strukturierung und Organisation im Kollektiv haben ihrer Meinung nach viel zur Arbeit des Netzwerkes beigetragen. Durch pbi öffnet sich für das Netzwerk auch ein Raum für Lobbyarbeit, um ihre Stimme zu festigen und sich und ihre Anliegen sichtbar zu machen.
Wenn Sie über die aktuelle Menschenrechtslage in den pbi-Projektländern informiert werden wollen, abonnieren Sie unseren monatlichen E-Newsletter.