18.12.2019 – pbi Deutschland ist bestürzt über den rassistischen und transfeindlichen Angriff in München vom 22.11.2019, dem eine Referentin von pbi und andere Exilantinnen zum Opfer gefallen sind. Wir unterstützen die Betroffenen und das Ökumenische Büro München in ihren Forderungen nach einer Strafverfolgung der Täter_innen und ihre Kritik am polizeilichen Vorgehen. Der öffentliche Raum muss ein diskrimierungsfreier Ort werden, an dem sich Trans*-Personen sicher fühlen können. Unsere Solidarität gilt allen von Rassismus, Homo- und Transfeindlichkeit betroffenen Menschen.
Lesen Sie im Folgenden die Pressemitteilung des Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V. vom 28.11.2019:
Das Ökumenische Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V. verurteilt den Angriff und fordert Konsequenzen – auch für die Arbeit der Polizei.
MÜNCHEN (oeku-buero – 28.11.2019). Sechs Teilnehmende eines internationalen Fachseminars wurden am vergangenen Freitagabend (22. November 2019) im Münchner Stadtteil Haidhausen von einer Gruppe von bis zu zehn Männern und einer Frau auf offener Straße geschlagen, an denen Haaren gerissen, bedroht und über eine halbe Stunde lang mit übelsten rassistischen, trans*feindlichen, sexistischen Beleidigungen und Verleumdungen konfrontiert. Unterstützer*innen, die zu Hilfe eilten, wurden ebenfalls bedroht und beschimpft.
Die Menschenrechtsaktivist*innen aus verschiedenen lateinamerikanischen Ländern, die größtenteils als Geflüchtete in Spanien, der Schweiz und Deutschland leben, waren als Referent*innen eines internationalen Fachseminars vom Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit e.V. eingeladen worden. Im Büro des Vereins hatten sie sich zu einem Willkommens-Abendessen und erstem Austausch getroffen.
Auf dem Weg zu ihrem Quartier kauften zwei Mitglieder der Gruppe gegen 22:15 Uhr Zigaretten in einer Bar. Vor der Bar pöbelten zwei Gäste die draußen wartenden Mitglieder der Gruppe mit sexistischen Anspielungen auf ihre Transgender*Identität an. Die Angegriffenen baten darum, das sein zu lassen. Kurz darauf verteidigten sie ihrerseits einige junge Frauen, die vorbeikamen und ebenfalls von den beiden Männern belästigt wurden. Daraufhin versuchte einer der Männer, eine Trans*Frau aus der Gruppe der Aktivist*innen zu begrapschen. Diese wehrte sich mit lauten und energischen Worten. Weitere Männer kamen daraufhin aus der Bar, bedrohten und beschimpften die Gruppe. Die Angegriffene wurde an den Haaren gerissen. Ein Mitglied der Gruppe, das dazwischen gehen wollte, erhielt einen Faustschlag ins Gesicht. Ein weiteres Mitglied der Gruppe wollte zu Hilfe kommen und kassierte eine heftige Ohrfeige, so dass die Brille wegflog.
Die Menschenrechtsaktivist*innen riefen eine Mitarbeiter*in des Ökumenischen Büros zu Hilfe und alarmierten die Polizei. Es erwies sich als mühsam, diese zum Eingreifen zu bewegen. Man sei nur für die Verfolgung von Straftaten zuständig. Wenn es keine Verletzten gebe, sehe man keinen Grund tätig zu werden, wurde der Mitarbeiterin des Ökubüros bedeutet, die auf dem Ernst der Situation beharrte. Während der etwa zwanzigminütigen Wartezeit auf das Eintreffen der Polizei gingen die wüsten Beschimpfungen und Beleidigungen auf Spanisch, Italienisch und Deutsch weiter. Eine der harmloseren war: „Ihr seid nur Scheiße, und habt kein Recht hier zu sein.“ Die Männer, zu denen sich zeitweilig auch eine aufgebrachte Frau aus der Bar gesellte, versuchten immer wieder, die Gruppe zu vertreiben.
Die schließlich in zwei Streifenwagen eintreffenden Polizisten weigerten sich, vor Ort Anzeigen wegen Bedrohung und Beleidigung aufzunehmen. Sie ließen ausschließlich eine kleine Wunde an der Lippe aufgrund des Faustschlags als relevant gelten und nahmen die Zeugenaussage des Betroffenen auf. Ein Aktenzeichen o.ä. teilten sie nicht mit.
Während der Aufnahme der Zeugenaussage bedrohte der Haupttäter vor den Augen der Polizei weiter eine Trans*Aktivistin: In ihrem Heimatland werde ihresgleichen der Kopf abgeschlagen und niemand wage es, aufzumucken. Nun erdreiste sie sich nach Europa zu kommen, sie habe keinerlei Recht dazu. Man werde ihr bei nächster Gelegenheit auch hier den Kopf abschlagen und ihn ihrer Mutter schicken.
Mitglieder der Gruppe und Unterstützer*innen fragten, wie nach dieser massiven, ebenso rassistischen wie trans*feindlichen Attacke ihre Sicherheit gewährleistet würde. Die Polizeibeamten erwiderten, sie sollten die Straße in dieser Nacht meiden, sie weiträumig umgehen und auch in Zukunft die betreffende Straßenseite meiden, „um keinen Anlass für weitere Übergriffe zu geben“. Einige Gruppenmitglieder zitterten am ganzen Leib und äußerten Angst vor weiterer Verfolgung, so dass die Polizeibeamten nach einigem Insistieren schließlich einwilligten, sich vor die Angreifer zustellen, bis die Gruppe außer Sichtweite war.
„Wir verurteilen die Angriffe aufs schärfste und fordern Konsequenzen“, sagt eine Mitarbeiter*in des Ökubüros, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte. „Es kann nicht angehen, dass Blut fließen muss, damit eine zutiefst rassistische und trans*feindliche Attacke auf die Integrität von Menschen als verfolgungswürdig anerkannt wird. Die psychischen Folgen und die Erschütterung des alltäglichen Sicherheitsgefühls der Betroffenen und ihrer Unterstützer*innen können nicht einfach ignoriert werden. Es ist ein Skandal, dass keine adäquate Begleitung angeboten wurde und dass Betroffene auch noch quasi aus dem öffentlichen Raum ausgesperrt werden. So entsteht mitten in München eine weitere Zone, in der Menschen mit Migrations- bzw. Fluchterfahrung, Nicht-Weiße, Mitglieder der LGBTIQ*-Community und besonders Trans*Personen verletzlich, recht- und schutzlos gemacht werden. Unabhängig von der möglichen Herkunft der unmittelbaren Täter*innen ist auch dies Gewalt. Strukturelle Gewalt von Seiten dieser unserer Mehrheitsgesellschaft und ihrer Staatsorgane, die aufhören muss.“
Das Ökumenische Büro begrüßt, dass inzwischen Ermittlungen aufgenommen wurden und die für Hassverbrechen zuständige Abteilung der Kriminalpolizei eingeschaltet wurde. Das Vorgehen der Polizei am Tatort und die folgende Berichterstattung, die bedauerlicherweise auch von der Süddeutschen Zeitung und - in abgeschwächter Form - von der Abendzeitung übernommen wurde, halten wir weiter für kritikwürdig. Durch das Ausblenden des Kontextes vor Ort wird nun offenbar auch nur gegen einen betrunkenen Täter ermittelt, obwohl mehrere, nicht oder kaum alkoholisierte, Personen beteiligt waren.
Die Betroffenen werden durch die Polizei-Berichterstattung mit der völlig absurden (und auch durch keinerlei Augenschein auch nur entfernt plausible) Wortwahl „Mann in Frauenkleidern“ herabgewürdigt und erneut in ihrer Genderidentität verletzt. Das halten wir für absolut inakzeptabel. Wir betonen, dass sich derlei bei den nun anstehenden Vernehmungen keinesfalls wiederholen darf und dass außerdem auf die Mehrfach-Traumatisierung der Betroffenen Rücksicht zu nehmen ist.
Weitere Informationen
>> Nach transfeindlicher Attacke: Vorwürfe gegen die Münchner Polizei (Abendzeitung, 28.11.2019)
>> Liebe, die Hass erzeugt (Süddeutsche Zeitung, 07.01.2020)